Serie (m)ein Lieblingsstück Museum würde das Werk gerne kaufen

Solingen · Für den Direktor des Kunstmuseums, Dr. Rolf Jessewitsch, hat das Portrait von Jurek Becker, das Armin Mueller-Stahl gemalt hat, eine besondere Bedeutung. Besonders interessant ist auch die Geschichte, die dahinter steckt.

Es ist eine seltsame Freundschaft, die vor Jahrzehnten im Ost-Berliner "Presse-Café" beginnt. Hier sitzen regelmäßig der Schriftsteller Jurek Becker und der Schauspieler Manfred Krug zusammen. Beide hausen in den 50er Jahren gar gemeinsam in einer Wohngemeinschaft am Prenzlauer Berg. Und irgendwann stößt Armin Mueller-Stahl, ebenfalls Schauspieler aber auch Musiker und besonders Maler, dazu.

Die Geschichte dieses herausragenden Trios führt direkt ins Solinger Kunstmuseum und zu einem der Lieblingsschätze von Museumsdirektor Dr. Rolf Jessewitsch - natürlich zu einem Gemälde in Öl. "Es ist zunächst nur eine Leihgabe, aber wir hoffen, die Mittel aufbringen zu können, damit wir es für unser Museum ankaufen können", sagt Rolf Jessewitsch und betrachtet das großformatige Bild, das im Meistermann-Saal des Museums zu sehen ist. Es ist das Porträt, das Müller-Stahl von seinem Freund Jurek Becker gemalt hat - mit expressivem Schwung und eindringlicher Gestaltungsgabe. "Man sieht sofort, dass hier kein fröhlicher Mensch dargestellt wird", erläutert Rolf Jessewitsch. "Zur Technik von Armin Mueller-Stahl gehört, dass er seine Bilder oft überarbeitet, ja richtig übermalt." Denn die Komplexität des Menschen, der dargestellt wird und der sich auch stets wandelt, muss sich für den Maler im Bild spiegeln. "Es geht ihm darum, den Menschen und sein Inneres darzustellen."

Dem Bild ist anzusehen, dass Jurek Beckers Leben alles andere als gewöhnlich und leicht war - trotz aller Erfolge als Autor. 1937 wurde Becker im polnischen Lodz geboren. "Das Geburtsdatum steht allerdings gar nicht fest", erklärt der Museumsdirektor. Sein Vater gab ihn im Ghetto als älter aus, um ihn vor der Deportation zu bewahren. Denn die Beckers waren Juden. Im Gegensatz zu ihren Verwandten überlebten Jurek Becker und seine Eltern Ghetto und KZ. Die Mutter starb allerdings gleich nach Kriegsende an Unterernährung. Der Vater nahm seinen Sohn mit nach Ost-Berlin. In der damaligen sowjetischen Besatzungszone hoffte er, dass gegen den Antisemitismus entschiedener vorgegangen werde. Aber Jurek Becker eckte in der späteren DDR an. Aus politischen Gründen wurde er von der Universität geworfen und wurde seit 1959 permanent von der Stasi überwacht. Becker wurde freier Schriftsteller - zunächst für Kabarett und Drehbücher.

1969 kam sein Durchbruch mit dem preisgekrönten Roman "Jakob der Lügner". Diese Geschichte führt zurück ins Ghetto und wurde inzwischen mehrfach verfilmt. Auf dem Porträt finden sich auch zum Teil übermalte Schriftzüge, die auf diesen Roman verweisen. Aus Protest gegen den Ausschluss des Lyrikers Reiner Kunze aus dem DDR-Schriftstellerverband siedelte Becker 1977 in die Bundesrepublik über. Hier hatte er 1987 einen großen Erfolg mit dem Drehbuch zur mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten Fernsehserie "Liebling Kreuzberg".

Rolf Jessewitsch: "Und da schließt sich ein wenig der Kreis. Denn Beckers alter Freund Manfred Krug war in der Hauptrolle zu sehen." Ein Jahr zuvor hatte der Schriftsteller seinen Roman "Bronsteins Kinder" veröffentlicht. Jurek Becker starb im März 1997 in Schleswig-Holstein. Dieses bewegte und auch zerrissene Leben sieht man dem Porträt, das Mueller-Stahl gemalt hat, einfach an - auch wenn man die Hintergründe nicht kennt.

"Zeichnen ist für mich wie Schauspielern", lautete der Titel einer Ausstellung mit Werken von Armin Mueller-Stahl im Spätsommer 2012 im Kunstmuseum. "Oft hat Müller-Stahl in den Drehpausen seine Kollegen gezeichnet." Das Spannende daran war, dass er sie meist sowohl als Person wie auch in ihrer Rolle gemalt hat. Bei dieser Ausstellung wurde auch das Bild, das Jurek Becker darstellt, gezeigt.

Das Ölgemälde ist nun als Leihgabe im Kunstmuseum. "Wenn wir die Mittel zusammenbekommen, würden wir gerne das Bild kaufen." Und zwar für die Sammlung der verfemten Künste im Museum. Jessewitsch: "Denn in dieser Sammlung wird ja nicht nur die Nazizeit dokumentiert, es geht auch um die Geschichte in der DDR, in der kreative Leute aus politischen Gründen nicht zum Zug gekommen sind." Dafür ist das Becker-Bild von Armin Mueller-Stahl ein sprechendes Beispiel.

(RP)
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