Solingen Nach Brand: Ausharren in der Kälte

Solingen · Am Tag drei nach dem Brand in der Schellingstraße fühlen sich viele vom Vermieter LEG im Stich gelassen. Amin Saberi und Firishtah Sherzai harren mit zwei kleinen Kindern in der unbeheizten Wohnung aus.

Amin Saberi und seine Frau sind gerade auf dem Weg zu Freunden. Zwei Thermoskannen haben sie dabei, denn auf dem Ofen mit der Gasflasche Wasser zu erwärmen, ist ihnen wegen der beiden kleinen Kinder einfach zu gefährlich. Und so holt sich der Lehrer, der vor zwölf Jahren mit seiner Frau aus Afghanistan gekommen ist, bei Freunden wenigsten etwas heißes Wasser.

Umziehen muss sich die Familie für den Gang nach draußen kaum, denn seit Samstag sitzt sie ohne Heizung, Strom und Gas, dafür mit warmer Kleidung, in dem Haus an der Schellingstraße, wo in der Nacht zum Samstag bei einem Kellerbrand die komplette Elektroinstallation zerstört wurde (wir berichteten). Die Familie ist geblieben, wie auch andere Hausbewohner, zum Teil alte Menschen, die jetzt von Nachbarn mit dem Nötigsten versorgt werden.

"Es ist traurig"

Nachbar Siegfried Strickler zum Beispiel. Er ist gerade auf dem Weg zu seiner Frau, die im Krankenhaus liegt. Er hilft seiner 88-jährigen Nachbarin mit dem Nötigsten aus, bringt mal eine Kanne heißes Wasser. Mit Gaspatronen kochen die meisten im Moment. So auch Oleg und Luba Fritzler. "Es ist traurig, vom Vermieter hat sich noch niemand hier sehen lassen", sagt Luba Fritzler, die gerade auf dem Weg zur Spätschicht ist. "Im Moment leben die Leute hier wie die Hunde", sagt sie verbittert.

Auch Amin Saberi schwankt zwischen Verärgerung und Resignation. 533 Euro Miete müsse er Monat für Monat zahlen, und wehe, er sei mal einen Tag im Verzug, berichtet der Vater eines einjährigen Sohnes und einer dreijährigen Tochter. Drei Leute vom Vermieter LEG habe er gerade gesehen, doch die seien ganz schnell wieder weg gewesen. Im LEG Büro am Hegelring war der gebürtige Afghane mit deutschem Pass auch schon, dort habe man nur den Kopf geschüttelt, man wisse auch nicht, wie es weiter gehe. Die Solinger Stadtwerke haben inzwischen ihre Anlagen überprüft und die Schaltkästen erneuert. "Von uns aus könnten Strom und Gas wieder freigeschaltet werden, sagt SWS-Sprecherin Ilka Baumgardt. Die Installationen seien jedoch teilweise verkohlt. Für die Erneuerung sei die LEG zuständig.

Bei Verwandten und Bekannten

Einige der 62 Bewohner des Hochhauses sind bei Verwandten und Bekannten untergekommen. Wie viele Menschen ohne Strom und Gas ausharren, vermag niemand zu sagen. Auch Amin Saberi hat Freunde und Bekannte, doch er kennt niemanden, der eine vierköpfige Familie für längere Zeit aufnehmen könnte.

Für Notfälle hat die Stadt Unterkünfte in den Obdachlosenwohnungen in der Eckstraße zur Verfügung gestellt. 5,40 Euro pro Tag kostet hier ein zehn Quadratmeter großes Zimmer. Auch Amin Saberi hat sich die Notunterkunft angesehen. "Klein, Betten übereinander und über den Boden liefen die Tierchen, das kann ich meiner Familie und meinem kranken Sohn einfach nicht zumuten", sagt er. Wie ihm ist es offenbar vielen anderen Bewohnern aus der Schellingstraße gegangen. Nur vier sind vorübergehend zur Eckstraße umgezogen.

(RP)
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