Solingen Nazischmierereien am Gedenktag

Solingen · Nazischmierereien überschatteten die Gedenkveranstaltung zum Jahrestag des Solinger Brandanschlags sowie die anschließende Preisverleihung "Silberner Schuh" durch das Bündnis für Toleranz und Zivilcourage.

Laut hallt die Stimme von Imam Ilhan Can vergangenen Samstagmorgen über den kleinen Platz an der Mildred-Scheel-Schule. Dicht an dicht stehen die Menschen in einem Kreis um das Mahnmal mit den silbernen Ringen mit den Namen derer, die ein Zeichen setzen: Gegen das Vergessen, gegen das Wegsehen. Sie schweigen und gedenken — gedenken den fünf türkischen Mädchen und Frauen, die in der Nacht zum 29. Mai 1993, vor genau 17 Jahren, bei einem rassistischen Brandanschlag ums Leben kamen.

Was die meisten noch nicht wissen: In der Nacht zuvor gegen 3.45 Uhr informierten Zeugen die Polizei über Nazischmierereien am Mahnmal an der Unteren Wernerstraße, dem Ort, an dem fünf Menschen starben. Die Gedenkstätte war mit roter Lackfarbe besprüht worden. Zudem lagen auf der Straße verteilt zwei Zentimeter hohe und zehn Zentimeter lange Papierschnipsel mit dumpfen Parolen der mutmaßlichen Neonazi-Gruppe "Freie Nationalisten Solingen".

Diese Schnipsel fanden sich auch am Mahnmal an der Mildred-Scheel-Schule und am Berufsschulgebäude selbst. Die Papierstücke wurden von der Polizei sichergestellt und der Spurensicherung übergeben. Darüber hinaus waren an den Schulfenstern zirka 40 Aufkleber dieser Gruppierung angebracht. Durch die Feuerwehr konnten die Aufkleber sowie die rote Lackfarbe noch vor dem Gedenken beseitigt werden.

Polizeilicher Staatsschutz ermittelt

"Gegen die unbekannten Täter ermittelt nun der polizeiliche Staatsschutz am Polizeipräsidium Wuppertal", teilt Polizeisprecher Alexander Kresta mit. Die Papierschnipsel werden nach seinen Worten auf Fingerabdrücke untersucht und möglicherweise auch auf DNA-Spuren überprüft.

"Dem polizeilichen Staatsschutz ist diese Gruppierung bekannt." Diese werde von den Beamten auch im Auge behalten, berichtet der Polizeisprecher unserer Zeitung. Seine erste, persönliche Bilanz: "An einem derartigen Vorkommnis erkennt man, wie wichtig solche Gedenkveranstaltungen sind, damit sich ein Anschlag nicht noch einmal wiederholt."

"Wenn es ein Vermächtnis des 29. Mai 1993 gibt, dann war es die Mahnung an die Einheimischen, endlich zuzugehen auf die Menschen, die seit den sechziger Jahren aus vielen Nationen nach Deutschland gekommen waren, um hier zu arbeiten und zu leben", erinnerte Oberbürgermeister Norbert Feith indes bei der Gedenkveranstaltung. Seit 1993 sei viel passiert, "haben wir dazugelernt", seien umfassende Netzwerke von aus- und inländischen Vereinen und religiösen Gemeinden gebildet worden, die heute vieles von dem abfederten, was "an Konflikten im alltäglichen Leben zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Prägung aufkommen kann".

Solingen, das betonte auch Pfarrer Axel Stein als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, in Anspielung auf den Widerstand der Bürger gegen die Versammlung der rechtsextremen Gruppierung Pro NRW Anfang des Monats, sei eine Stadt, die "nichts, aber auch gar nichts, mit einer Bewegung und einem Denken zu tun hat, das andere Menschen oder gar eine ganze Bevölkerungsgruppe ausgrenzt". Wie das Miteinander "mit Respekt, im Dialog und mit dem Ziel, zueinander zu finden", funktionieren könne, so der Oberbürgermeister, zeige eindrucksvoll die Walder Ditib-Gemeinde, die im vergangenen Monat die Eröffnung ihrer Moschee gefeiert habe. "Die Gemeinde ist auf die Nachbarn zugegangen und Vorurteile und Ängste haben sich aufgelöst" — dies sei nicht zuletzt der Verdienst des Imams der Gemeinde, Hasan Özkan, der deshalb im Anschluss an die Gedenkveranstaltung mit dem "Silbernen Schuh" ausgezeichnet wurde.

"Stets habe ich versucht zu erreichen, was mein Glaube, der Islam, der den Frieden und die Toleranz lehrt, von mir verlangt", erklärte Özkan. Er freue sich, dass das angenommen werde. "Der Preis verleiht mir Antrieb und Freude, mich auch in Zukunft für Frieden und ein friedliches Miteinander einzusetzen."

(RP)
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