Solingen New Yorker Museum bescherte Durchbruch

Solingen · Mary Bauermeister führte durch ihre Ausstellung "Pli Score Pli" im Kunstmuseum und berichtete von Armut, Erfolg und der Liebe.

Es ist eine rasante Reise durch mehr als zehn Jahre Kunst- und Zeitgeschichte, die im Kunstmuseum mit einem schrillen Schrei beginnt: In Sekunden hat Mary Bauermeister, eine große Frau im hellen Trenchcoat, so die Aufmerksamkeit der Besucher gewonnen. Eineinhalb Stunden werden sie gebannt den Worten der 82-Jährigen, die als Mutter der Fluxus-Bewegung gilt, lauschen, ihr durch die Museumsräume und damit gleichsam durch einen Teil ihres Werks - und ihres Lebens - folgen.

"Pli Score Pli" heißt die Ausstellung, die noch bis zum 26. März Arbeiten aus dem Frühwerk Mary Bauermeisters zeigt, aus den Jahren 1957 bis 1967. Es gibt viel zu sagen zu diesen Jahren und zu jedem einzelnen Werk, Quatsch sei es, sagt Mary Bauermeister, dass man Bilder nicht besprechen solle, da diese für sich selbst reden sollten. Stattdessen sind ihre Werke immer auch ein Teil ihrer Vita, sind Kombinationen von Materialien, sind Kompositionen und komplexe Partituren, tragen immer wieder auch Text, "weil schreiben schneller geht als malen."

Dieses Bild sei ihre Liebesgeschichte mit dem Komponisten Karlheinz Stockhausen, sagt sie und zeigt auf ein Werk, das an seinem Rahmen nicht endet - ein Bild jener Beziehung zu dritt zwischen Bauermeister, Stockhausen und dessen erster Frau. Elf Jahre habe sie das ausgehalten, eine großartige Zeit, "er hat mir Anarchie gebracht, ich ihm Struktur". Irgendwann jedoch habe sie gemerkt, wie viel Energie sie diese Liebe koste. Die Spuren von Stockhausens serieller Musik sind in Bauermeisters Werk geblieben - mal größer, mal kleiner.

Bauermeister erzählt all das frei heraus, leidenschaftlich und ernsthaft, ohne sich selbst zu ernst zu nehmen. So erzählt sie, was ihre Kunst war, bevor sie als Kunst galt, "sie wurde als Weiberkram, Handarbeit oder Muschelkleberei bezeichnet. Als Männer dann mit Stoff arbeiteten, hieß es plötzlich ,neue Sensibilität&apos'". Berichtet vom Aufbruch nach New York 1962, der ersten Zeit dort in bitterer Armut. Und von dem Moment, in dem das Museum of Modern Art eines ihrer Werke kaufte. "Von meinem ersten Geld habe ich Obst für die Kinder auf der Straße gekauft und Pelzmäntel für alle meine Freundinnen." Ganz selbstverständlich spricht sie von Weggefährten wie John Cage, Nam June Paik oder Andy Warhol, von den vielen Künstlern, die in ihrem Kölner Atelier zu Gast waren: "Es war jeder da, der heute berühmt ist in der Kunst." Und sie erzählt von Gedanken, die mit dem Erfolg kamen: "Ich fragte mich, werde ich besser oder schlechter? Bediene ich den guten Geschmack meiner Generation oder den schlechten?" Mary Bauermeister hat daraus Lehren gezogen: "Wenn du etwas wirklich gut kannst, dann mach was anderes. Und wenn du richtig erfolgreich bist, wechsele den Kontinent."

An ihrem Beruf, ihrer Berufung indes hat sie nie gezweifelt. "Ich habe drei Wochen in einer Fabrik gearbeitet. Ab da habe ich immer von dem gelebt, was ich mit meinen Händen erschaffen habe." Geblieben ist auch die Nähe zur Natur, die Inspiration war und ist und Fundort für Materialien. Ihre vier Kinder hätten in jedem Urlaub kiloweise Steine sammeln müssen: "Steine haben eine Energie." Überhaupt sei es nie die Physikalität, die sie interessiere, "sondern das, was man durchscheinen lassen kann, das Feinstoffliche."

In heutigen chaotischen Zeiten brauche Kunst nicht chaotisch zu sein: "Sie muss strukturieren, Wege zeigen, enkeltauglich sein. Künstler müssen dem Zeitgeist verpflichtet sein, sie haben den Vorteil, etwas völlig Neues in die Welt holen zu können, haben da aber auch eine Verantwortung. Ohne Kunst, Literatur und Musik wäre die Welt sehr trostlos." Sie sei, sagt Bauermeister, in ihrer Jugend nicht politisch gewesen. "Heute jedoch habe ich das Gefühl, dass man als Künstler wieder den Mund aufmachen muss."

Nach dem Auftakt mit einem Schrei ist der Abgang von Mary Bauermeister ganz leise: Sie muss schnell weg, sich um den "Weiberkram" kümmern, so der Titel einer von ihr kuratierten Ausstellung. Doch sie wird wiederkommen und erzählen von jenen Jahren zwischen 1957 und 1967.

(mxh)
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