Analyse O-Quartier: Die Gräfin ist jetzt am Zug

Solingen · Die Stadt will einen Neustart für das geplante Einkaufscenter in Ohligs. Mit einem geänderten Bebauungsplan räumt sie dem Investor eine Chance ein. Der muss diese ergreifen. Das geht aber nur, wenn er sein absolutistisch anmutendes Verhalten ablegt.

 Links Trümmer, rechts Neubauten: Der Unterschied zwischen der Olbo-Ruine und den neuen Eigentumswohnungen nebenan könnte kaum größer sein.

Links Trümmer, rechts Neubauten: Der Unterschied zwischen der Olbo-Ruine und den neuen Eigentumswohnungen nebenan könnte kaum größer sein.

Foto: mak (Arch.)

In gewisser Weise trug die längst zur Farce verkommene Endlosdiskussion um das seit Jahren geplante und bis heute nicht gebaute O-Quartier in Ohligs seit Monaten schon surreale Züge. Surreal, weil das Verhalten des Investors, der Entwicklungsgesellschaft Graf von Thun und Hohenstein Veit mit Sitz in Bayreuth und Berlin, zuletzt einfach nur noch all jener Umgangsformen spottete, die im bürgerlichen Geschäftsleben für gemeinhin als normal betrachtet werden.

Großen Ankündigungen folgte stets nichts oder wenig - wobei die Chefin des Investors, Dr. Jeannine Gräfin von Thun und Hohenstein Veit, ihrerseits das beste Beispiel für eine inakzeptable Unternehmenspolitik abgab. Die inhaltliche Kommunikation lief viel zu häufig ins Leere, weil die Ohligser und die Stadt immer wieder mit Vertröstungen sowie neuen Forderungen abgespeist wurden.

Den traurigen Höhepunkt dieser ohnehin bereits unsäglichen Entwicklung bildete aber sicherlich die vor einigen Wochen im Solinger Rathaus eingegangene Klage, mit der Gräfin von Thun und Hohenstein Veit sich der Verpflichtung zu entledigen gedenkt, den Schuttberg auf dem alten Olbo-Gelände zu beseitigen. Spätestens hier kippte das Verhalten des Investors vom Surrealen ins Absolutistische. Die gesellschaftliche Verantwortung scheint keine Rolle mehr zu spielen. Frei nach dem Motto: Was kümmert's einen in Bayreuth oder Berlin, wenn im fernen Solingen-Ohligs alles den Bach runtergeht.

Um es klar zu sagen: Diese Gefahr besteht wirklich. Denn Ohligs wird durch den Stillstand am Marktplatz seit Jahren in seiner Entwicklung gehemmt. Und so gesehen war es richtig, dass die Stadt nun in dieser Woche die Notbremse gezogen hat und plant, einen neuen Bebauungsplan aufzustellen. Denn schließlich wartete der Investor zuletzt noch mit einem abgespeckten Billig-Konzept fürs O-Quartier auf, dessen Branchenmix Schlimmes erwarten ließ.

Tatsächlich bietet der neue Bebauungsplan jetzt die Chance zu einem Neuanfang. Die Verkaufsflächen sollen verringert werden. Und Gräfin von Thun und Hohenstein Veit erhält auf diese Weise die ultimative Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, wie ernst es ihr mit der Realisierung des in Ohligs dringend benötigten Centers inklusive Lebensmittelvollsortimenter ist. Entweder stemmt der Investor das Projekt selbst oder er veräußert seinen Teil des Olbo-Grundstücks an andere Immobilienentwickler, die ihrerseits schon Interesse bekundeten, das Areal im Herzen von Ohligs zu vermarkten.

Gleichwohl gehört es ebenso zur Wahrheit, dass der Stadt in letzter Konsequenz die Hände gebunden sind. Sollte es der Gräfin nach wie vor nicht gelingen, passende Handelsfirmen als Mieter zu gewinnen, könnte am Ende doch noch eine Billigvariante stehen. Oder noch schlimmer: Im Ohligser Zentrum täte sich auf unabsehbare Zeit gar nichts.

Indes erscheint letztgenanntes Szenario nicht allzu wahrscheinlich. Denn der vor kurzem präsentierte Branchenmix zeigt ja - so unbefriedigend er auch gewesen sein mag -, dass der Investor selbst ebenfalls ein Interesse daran hat, das O-Quartier zu bauen und endlich Geld mit dem Center zu verdienen.

Es liegt jetzt an Gräfin von Thun und Hohenstein Veit, verloren gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen. Das gelingt aber nur, wenn schnell Erfolge präsentiert werden. Und wenn die absolutistisch anmutenden Verhaltensweisen abgelegt werden. Der Schuttberg muss schleunigst verschwinden.

(RP)
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