Solingen Obusse fahren mit Batterie in die Zukunft

Solingen · Eine neue Generation von "Stangentaxis" soll die Klimawende beschleunigen. 2018 startet eine Testphase auf der Strecke zwischen Gräfrath und Meigen. Für die Stadt ein Konzept der Zukunft. Solingen hat schon Jahrzehnte Erfahrung mit E-Mobilität.

 Fast schon ein Solinger Wahrzeichen: Die Obusse mit ihren Stromabnehmern spielen beim Thema Klimaschutz auch in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle.

Fast schon ein Solinger Wahrzeichen: Die Obusse mit ihren Stromabnehmern spielen beim Thema Klimaschutz auch in den kommenden Jahren eine entscheidende Rolle.

Foto: Archiv (Köhlen)

Die Stadt und die Stadtwerke Solingen (SWS) planen eine neue Offensive in Sachen Elektromobilität und wollen dabei einen schon bestehenden Standortvorteil nutzen: das Oberleitungsnetz der Obus-Flotte bei den Verkehrsbetrieben der SWS. Dazu soll in einer ersten Testphase auf der Linie 695 von Gräfrath über Stadtmitte nach Meigen, die bisher nur von Dieselbussen betrieben wird, ein neuer vollelektrischer Obus eingesetzt werden. Die Besonderheit: Der Linienweg führt lediglich zu einem Drittel unter vorhandener Oberleitung. Den weitaus größeren Teil der Strecke absolviert das Fahrzeug ausschließlich mit dem Strom aus der Batterie, die den alten Dieselmotor ersetzt.

"Mitte des Jahres 2018 wollen wir mit der Testphase starten", kündigte Verkehrsbetriebs-Geschäftsführer Conrad Troullier gestern an. SWS-Aufsichtsratschef Manfred Krause wertete den Testlauf als bundesweites Modellprojekt der Elektromobilität im Zusammenhang mit der Energiewende: "Mit einer alten Technologie werden wir Vorreiter für den gesamtdeutschen ÖPNV."

 Matthias Lenz, Geschäftsführer Netz GmbH, SWS-Aufsichtsratschef Manfred Krause und Verkehrsbetriebe-Chef Conrad Troullier (v.l.) vor einem der alten Obusse. Die Ausschreibung für die neuen Busse läuft.

Matthias Lenz, Geschäftsführer Netz GmbH, SWS-Aufsichtsratschef Manfred Krause und Verkehrsbetriebe-Chef Conrad Troullier (v.l.) vor einem der alten Obusse. Die Ausschreibung für die neuen Busse läuft.

Foto: Köhlen

Das dazugehörige Konzept wurde jetzt bei einer Klausur der Verkehrsbetriebe an der Weidenstraße erstmals Aufsichtsräten, Politikern, Vertretern der Stadt sowie Experten vorgestellt. Drei vollelektrische Obusse sollen die täglich 650 Kilometer auf der Linie 695 zwischen Gräfrath und Meigen bedienen. Zwischen den Haltestellen Unionstraße im Bereich Schlagbaum sowie Bahnhof Mitte fahren diese dann ihre Stromabnehmer aus, um das Oberleitungsnetz zu nutzen und während der Fahrt die Batterie aufzuladen.

Das sei der Clou, betonte Aufsichtsratsvorsitzender Krause gestern. Rund 210.000 Kilometer jährlich mit 1,1 Millionen Fahrgästen sollen so zusätzlich auf der Teststrecke elektrisch gefahren werden. Und Conrad Troullier erläuterte: "Wir steigern den Anteil von 65 Prozent auf 70 Prozent." Die Solinger Obus-Flotte spare,so der Verkehrsbetriebe-Chef, gegenüber Dieselfahrzeugen pro Jahr schon heute 5000 Tonnen C02 ein. Mit der neuen Teststrecke kommen 334 weitere eingesparte Tonnen des Klimagases hinzu.

Bewährt sich der Probelauf, könnten vollelektrische Obusse der nächsten Generation weitere Dieselfahrzeuge ersetzen. Dies wäre gerade für die beiden stromlosen Linienenden der 683 in Unterburg und in Wuppertal-Vohwinkel attraktiv.

Doch das ist noch Zukunftsmusik. Derzeit läuft das Ausschreibungsverfahren zur Anschaffung der neuen Obus-Generation. Insgesamt wollen die Verkehrsbetriebe vier Fahrzeuge erwerben, wobei eines für den in vier Jahren anstehenden Austausch der 15 alten Obusse der Baureihe "Berghof" aus dem Jahr 2001 genutzt werden soll.

Etwa 750.000 Euro mussten seinerzeit für einen einzelnen Obus bezahlt werden. Dabei steht fest, dass die neuen Fahrzeuge in der Anschaffung teurer werden dürften. Wie hoch die Investition tatsächlich ausfällt, müsse letztendlich die Ausschreibung zeigen, betonte Conrad Troullier.

Aus Sicht der Stadt dürfte die Summe aber in jedem Fall eine lohnende Geldanlage sein. Denn langfristig schwebt den Verantwortlichen im Solinger Rathaus vor, zu einer Art Vorreiter in Sachen umweltfreundlicher Straßenverkehr zu werden. "Immerhin verfügen wir bereits seit über 60 Jahren über Erfahrungen mit der Elektromobilität", sagte gestern eine Stadtsprecherin mit Blick auf die Obusse, die erstmals 1952 über die Straßen der Klingenstadt rollten.

Da ansonsten nur in zwei weiteren deutschen Städten Obusse im Einsatz sind, ist diese Art des Öffentlichen Personennahverkehrs praktisch ein Alleinstellungsmerkmal für Solingen. Und noch dazu ein Pfund, mit dem sich wuchern lässt. Die Erfahrung gelte es zu nutzen, hieß es aus dem Rathaus - zumal bereits 2012 im Rahmen des städtischen Klimaschutz-Konzepts rund 70 Maßnahmen zur Schonung der Umwelt benannt wurden. Und darunter fällt auch die Elektromobilität.

"Das diesbezügliche Konzept steht zwar zurzeit erst am Anfang", schränkte die Sprecherin der Stadt ein. Gleichwohl will die städtische Verwaltung mit einem guten Beispiel vorangehen. So gehört inzwischen ein E-Auto, das für Botenfahrten eingesetzt wird, genauso zur Rathausflotte wie Pedelecs, die den städtischen Mitarbeitern zur Verfügung stehen. Zwar existieren augenblicklich erst wenige Landestationen in Solingen, an denen die Fahrzeuge neue Energie tanken können. Dennoch ist vorgesehen, langfristig das Versuchsstadium hinter sich zu lassen.

Wobei seit kurzem noch ein weiterer Testlauf begonnen hat. So speist die Photovoltaikanlage auf dem SWS-Dach an der Beethovenstraße direkt ins Obus-Oberleitungsnetz ein. Möglich macht dies ein mit der Bergischen Universität entwickelter Wandler, der den Strom von der Sonne in die Leitungen der Fahrdrähte leitet.

(RP)
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