Solingen Polizei hat Einbrecherbanden im Visier

Solingen · Zwar ging die Kriminalität 2015 in vielen Bereichen zurück. Doch bei Einbrüchen schnellten die Zahlen hoch. Die Polizei will die Strukturen der aus Südosteuropa stammenden Täterbanden besser durchleuchten. "Bürgerwehren" lehnt sie ab.

Die scheinbare Entspannung war lediglich von kurzer Dauer. Nachdem die Fälle von Wohnungseinbrüchen sowie Einbruchsversuchen 2014 noch auf die geringsten Stände der zurückliegenden Jahre gesunken waren, ist ihre Zahl 2015 förmlich explodiert. Das geht aus der jetzt veröffentlichten polizeilichen Kriminalitätsstatistik hervor. So schlugen die zunehmend "hochprofessionell" agierenden Täter im vergangenen Jahr in der Klingenstadt 404 Mal zu. Das sind 75 Fälle mehr als noch 2014 und entspricht somit einem Anstieg von nahezu 23 Prozent innerhalb von nur zwölf Monaten.

Ein Trend, der den Verantwortlichen im auch für Solingen zuständigen Polizeipräsidium Wuppertal immer größere Sorgen bereitet. Denn zum einen kann über die Gründe für den Anstieg einstweilen allein gemutmaßt werden. Und zum anderen hinterlässt jeder einzelne Fall bei den Opfern meist tiefe seelische Narben. "Wir sind von dieser Entwicklung, die für die Betroffenen sehr belastend ist, überrannt worden", gab Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher bei der Präsentation der Zahlen gestern Vormittag in Wuppertal unumwunden zu - und kündigte gleichzeitig an, die vielfach in Banden organisierten Täter zukünftig verstärkt ins Visier zu nehmen.

Die Beamten sind sich sicher, dass bis zu 60 Prozent aller Fälle auf das Konto solcher Gruppen gehen, die vornehmlich aus Südosteuropa stammen. Dabei waren die Experten lange Zeit davon ausgegangen, vor allem die Nähe zur nächsten Autobahn spiele eine Rolle bei der Entscheidung, ob eine Wohnung von Einbrechern "besucht" wird. Ein Kriterium, das immer noch gilt, aber offensichtlich nicht allein den Ausschlag gibt. Denn im Gegensatz zu Solingen sanken beispielsweise in Remscheid zuletzt die Einbruchszahlen - trotz besseren Autobahnanschlusses.

"Deshalb werden wir nun Interviews auswerten, die Wissenschaftler für das LKA mit Tätern geführt haben", kündigte Ronald Bäumler, Leiter der Direktion Kriminalität, an. Der Grund: Auf diese Weise erhoffen sich die Fahnder - auch für Solingen - Informationen darüber, inwieweit die Einbrecherbanden über Strukturen vor Ort verfügen. So wäre es etwa denkbar, dass Landsleute, die in der Klingenstadt wohnen, den Tätern für die Zeit einer Einbruchsserie Unterschlupf gewähren.

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Foto: dpa, Robert Schlesinger

Sollte dies der Fall sein, wäre es der Polizei möglich, die Einbrecher mittels verdeckter Maßnahmen gezielter zu bekämpfen. Dabei entscheidet aber nach wie vor oftmals auch der Zufall darüber, ob Menschen zu Opfern werden. So weiß die Polizei aus abgehörten Telefongesprächen, dass die Täter häufig sehr spontan einen Einbruch begehen.

In diesem Zusammenhang appellierte Polizeipräsidentin Radermacher an die Bürger, Verdächtiges sofort über die 110 zu melden. Weniger halten die Verantwortlichen hingegen von "Bürgerwehren", die das Recht selbst in die Hand nehmen würden, sowie davon, dass immer mehr Menschen einen kleinen Waffenschein beantragen. "Das bringt nur scheinbar Sicherheit. Und das Gewaltmonopol liegt beim Staat", betonte Radermacher.

Zumal Solingen keine Kriminalitätshochburg ist. So sanken sowohl die Gesamtzahlen als auch die Fälle von Körperverletzung und Straßenraub (siehe Grafik). Vollendete Tötungsdelikte gab es wiederum gar keine, während die Zunahme bei Sexualstraftaten auf vermehrte Anzeigen von Eltern zurückgehen, deren Kinder zuvor anzügliche Bilder mit Gleichaltrigen im Internet gepostet haben.

(or)
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