Solingen Polizei stürmt Wohnungen von "Reichsbürgern"

Solingen · Beamte beschlagnahmen bei zwei Sportschützen ein regelrechtes Waffenlager. Die Männer waren seit Wochen im Visier der Behörden.

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Polizei stürmt Wohnungen von Reichsbürgern

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Foto: Stephan K�hlen

Es war exakt 6 Uhr, als ein ohrenbetäubender Lärm die Nachbarn aus den Betten riss. Doch darauf konnten die Verantwortlichen in diesem Moment keine Rücksicht nehmen, da sie bei der gerade anlaufenden Aktion nicht das geringste Risiko eingehen wollten. Mit einem Großaufgebot von mehr als 80 Beamten, darunter Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos sowie eigens angeforderte Bereitschaftskräfte, hat die Polizei gestern Morgen zeitgleich in zwei Wohnungen von selbst ernannten "Reichsbürgern" zugeschlagen - und ist dabei auf ein regelrechtes Lager an Waffen gestoßen.

Wie eine Sprecherin der Polizei später mitteilte, fanden die eingesetzten Beamten bei den parallelen Razzien an der Kirchstraße in der Solinger Innenstadt sowie an der Steinendorfer Straße in Aufderhöhe unter anderem zwölf Gewehre, neun Kurzwaffen, drei Luftdruckwaffen und eine halbautomatische Waffe. Darüber hinaus hatten die Inhaber der Wohnungen, zwei Sportschützen im Alter von 40 beziehungsweise 57 Jahren, aber auch haufenweise Speere, Macheten, Gaspistolen, Messer sowie Dolche gehortet. Und zudem lagerten in den Räumen 20.000 Schuss Munition sowie Zubehör zum Herstellen weiterer Munition.

Die Wohnungsinhaber, die als Anhänger des "Reichsbürgertums" die Bundesrepublik und die geltenden Gesetze nicht akzeptieren, leisteten keinen Widerstand. Sie ließen sich ohne Gegenwehr festsetzen, so dass bei dem Zugriff keine Verletzten zu beklagen waren.

Trotzdem hatten die an der Aktion beteiligten Behörden eine mögliche Gefahr, die von den Männern ausgehen könnte, von Anfang an sehr ernst genommen und die Durchsuchungen dementsprechend akribisch geplant. Immerhin war erst vor wenigen Wochen bei einer vergleichbaren Aktion in Bayern ein Polizist von einem "Reichsbürger" erschossen worden.

"Die Beschlagnahmung der Waffen diente der Gefahrenabwehr", hieß es am Mittwochnachmittag vonseiten der Polizei. Dabei hatten die Vorbereitungen zu den Razzien nach Informationen unserer Redaktion hinter den Kulissen schon vor mehreren Wochen begonnen. Der Grund: Die beiden "Reichsbürger" waren in der Vergangenheit bereits mehrfach durch ihre politischen Ansichten aufgefallen. Und einer der zwei Männer wollte diese zuletzt wohl auch nicht mehr vor den Mitgliedern seines Sportschützenvereins verbergen.

"Vor einigen Monaten ist er auf uns zugekommen und hat wegen seiner Einstellung eine Änderung unserer Satzung verlangt", erinnerte sich gestern ein Sprecher des Clubs an seinen ehemaligen Sportkameraden, der seit Jahren Mitglied des Vereins gewesen und bis dato nie negativ in Erscheinung getreten war. Allerdings änderte sich dies offenbar im zurückliegenden Spätsommer, so dass der "Reichsbürger" zuletzt aus dem Verein ausgeschlossen wurde und der Clubvorstand danach die Polizei darüber informierte, der Mann sei Inhaber eines Waffenbesitzscheins.

Eine solche Karte benötigen Sportschützen, um ihrem Sport nachgehen zu können. In den Augen der Polizei sind "Reichsbürger" aber aufgrund ihrer Überzeugungen und Haltungen nicht geeignet, legale Waffen zu besitzen - weswegen die Angelegenheit an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet wurde, die beim Amtsgericht Solingen die Durchsuchungen bei dem Mann sowie dem anderen "Reichsbürger" veranlasste.

Zuvor hatten die Sportschützen Bescheide zur Vorbereitung des Widerrufs ihrer waffenrechtlichen Erlaubnisse erhalten. "Aus dem anschließenden Verhalten" der Männer habe sich dann aber "die zwingende Vermutung" ergeben, "dass sie behördliche Maßnahmen nicht akzeptieren würden", teilte die Polizei gestern mit. Deshalb sei schließlich die Entscheidung für den Zugriff gefallen.

Die Stadt, die nach eigenem Bekunden "im Vorfeld der Aktion im Austausch mit der Polizei gestanden" hatte, zeigte sich erleichtert über den glimpflichen Ausgang der Razzien. "Wir dürfen Extremisten jeder Ausrichtung keinen Fußbreit Spielraum lassen", sagte OB Tim Kurzbach, während Rechtsdezernent Jan Welzel darauf hinwies, die Stadt habe klare Regeln für den Umgang mit "Reichsbürgern". Eine Verfügung schreibe vor, Erkenntnisse der Polizei zu übermitteln. Denn tatsächlich, so bestätigte eine Rathaus-Sprecherin, fielen "Reichsbürger" in den Ämtern immer mal wieder durch Provokationen auf.

(or)
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