Solingen Polizist darf nur nach vorheriger Ansprache schlagen

Solingen · Im Prozess gegen einen 34-Jährigen Polizeibeamten wegen Körperverletzung im Amt sagte ein Ausbilder aus.

"Auch Schläge an den Kopf können gestattet sein, wenn sich eine Person bei der Festnahme widersetzt. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Betroffene vorher angesprochen wurde." Dies sagte gestern ein Ausbilder der Polizei im Verfahren gegen einen 34-jährigen Polizeibeamten, der sich wegen Körperverletzung im Amt vor dem Landgericht Wuppertal verantworten muss. Dort will der Beamte einen Freispruch erreichen, nachdem das Solinger Amtsgericht ihn zu einer achtmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt hatte.

Der Ausbilder vom Landesamt für Aus- und Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei Nordrhein-Westfalen wurde als Sachverständiger auf Antrag der Verteidigung gehört, die damit untermauern will, dass sich der Angeklagte in der Nacht zum 9. September 2012 vor der Solinger Polizeiwache korrekt verhalten hat, als er einen 17-jährigen Jugendlichen mit der Faust ins Gesicht schlug.

Der Sachverständige erläuterte, dass in der dreijährigen Ausbildung von Polizisten 157 Stunden verschiedene Eingriffstechniken gelehrt werden. Kaum werde jedoch das Verhalten unter Stress dabei berücksichtigt, so der 47-Jährige. Widersetzt sich ein Mensch der Festnahme durch die Polizei, könne er mit einem gezielten Griff an den Kopf zu Boden gebracht und fixiert werden, davor müsse jedoch immer die Ansprache stehen. Zu den unter Umständen erlaubten Schlägen gegen den Kopf erklärte der Ausbilder: "Wir raten dazu, mit der offenen Hand oder dem Handballen zu schlagen, da bei einem Faustschlag die eigene Verletzungsgefahr groß ist."

Das Verhalten des Angeklagten bei der Festnahme des 17-jährigen Randalierers, um die es in dem Prozess geht, ist von Überwachungskameras dokumentiert, die Videos sah sich gestern auch der Gutachter an. Darauf ist zu erkennen, dass der Angeklagte dem Jugendlichen aus dem Lauf einen Schlag ins Gesicht versetzt. Auf der Frage der Staatsanwältin, ob dies gerechtfertigt sei, erklärte der Sachverständige: "Das ist schwer zu sagen".

Klar ist, dass der alkoholisierte Jugendliche die Polizeibeamten zuvor wild beschimpft hatte. Auch nachdem ihn seine Eltern von der Polizeiwache abholten, beruhigte er sich nicht und ließ sich auch vom Vater nicht davon abhalten, die in der Eingangstür stehenden Beamten weiter übel zu beleidigen.

Als wenig hilfreich erwies sich gestern die Aussage einer 39-jährigen Kollegin des Angeklagten, die unmittelbare Augenzeugin war und die sich an nichts erinnern konnte. Eine Aussage, die der Vorsitzende Richter als "schwer vorstellbar" einordnete.

Ganz anders ein 33-jähriger Kollege, der angab, das Geschehen gut in Erinnerung zu haben, weil es eine außergewöhnliche Situation gewesen sei. Dass der Angeklagte nach den erneuten Beleidigungen durch den 17-Jährigen losgelaufen sei, könne er nachvollziehen: "Wir hätten unser Gesicht verloren, wenn wir uns so offen auf der Straße beleidigen lassen." Der Zeuge berichtete auch, dass der Vater des Jugendlichen von "Polizeigewalt" gesprochen habe und dem Angeklagten gedroht haben soll, er würde seinen Job verlieren.

Der Prozess wird am 3. August um 11 Uhr in Wuppertal fortgesetzt, vermutlich wir an diesem Tag auch ein Urteil gesprochen.

(RP)
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