Solingen Rundgang durch Kohlsberg

Solingen · Solinger können bei Führungen durch ihre Heimatstadt unbekannte Ecken, Geschichten oder Anekdoten kennenlernen. Zum Start unserer "Spaziergänge"-Serie begleiten wir Axel Birkenbeul durch Kohlsberg.

 Für den Bau der Pfarrkirche St. Mariä Empfängnis Ende des 18. Jahrhunderts wurden 6661 Reichstaler, 23 Groschen und elf Pfennig angesetzt. Die ursprüngliche Inneneinrichtung ist weitestgehend erhalten.

Für den Bau der Pfarrkirche St. Mariä Empfängnis Ende des 18. Jahrhunderts wurden 6661 Reichstaler, 23 Groschen und elf Pfennig angesetzt. Die ursprüngliche Inneneinrichtung ist weitestgehend erhalten.

Foto: Rosenstock

Auf den ersten Blick wirkt Kohlsberg wie eine der vielen typischen bergischen Hofschaften. "Hier gibt es ja nichts", sagt Axel Birkenbeul, der für die IG Stadtführungen Solingen einen Rundgang durch Kohlsberg anbietet. Auf den ersten Blick mag das so sein. "Es lohnt sich, sich mit der Hofschaft unterhalb von Untenhöhscheid einmal genauer zu beschäftigen", rät Birkenbeul.

Natürlich gibt es viele Geschichten und Anekdoten, die mit den einzelnen Höfen und Häusern verbunden sind. Die erfährt man, wenn man sich dem Rundgang anschließt. Oder aber man hat das Glück, Gerd Wieland anzutreffen, der im unteren Kohlsberg in einer Bauersfamilie aufgewachsen ist und bis 1973 Hühner gezüchtet hat. Neben dem Geflügel ist seine Heimat Kohlsberg seine Leidenschaft. Er hat sich intensiv mit der Geschichte der Hofschaft und ihrer Umgebung beschäftigt.

 Diese drei Fachwerkhäuser mit den Hausnummern 21 bis 25 waren einst das "Einkaufszentrum" von Kohlsberg mit einer Bäckerei, einem Winkelsladen und einem Frisör.

Diese drei Fachwerkhäuser mit den Hausnummern 21 bis 25 waren einst das "Einkaufszentrum" von Kohlsberg mit einer Bäckerei, einem Winkelsladen und einem Frisör.

Foto: Grünwald

Es sind vor allem zwei Besonderheiten, die Kohlsberg auszeichnen. Zum einen ist die Hofschaft zu einem ziemlich großen Teil so erhalten geblieben, wie sie einst erbaut wurde. Zum anderen ist sie in eine wunderschöne idyllische Landschaft eingebettet. Ein markanter Punkt ist die Pfarrkirche St. Mariä Empfängnis, die 1865 nach den Plänen des Kölner Dombaumeisters Vinzenz Statz erbaut wurde. Damals hatte man für den Kirchenbau die Summe von 6661 Reichstalern, 23 Groschen und elf Pfennig veranschlagt. Das im neugotischen Stil erbaute Gotteshaus besitzt noch weitgehend seine ursprüngliche Inneneinrichtung, was noch heute den besonderen Charme ausmacht.

Mit vielen Erinnerungen verbunden ist das Gebäude, das bis 2004 der Kirche gegenüber stand: die bekannte Ausflugsgaststätte "Kohlsberger Höhe" von Willi Fischer. Sie zeichnete sich nicht nur durch einen großen Saal und einen von Bäumen beschirmten Gastgarten aus, sondern vor allem durch ihre günstige Hausmannskost. Insbesondere Spezialitäten aus Pferdefleisch sowie Kuchen aus der hauseigenen Bäckerei standen auf der Speisekarte. Längst ist hier ein Wohnhaus errichtet worden - nichts lässt mehr auf den einstigen Gastbetrieb schließen.

Erhalten geblieben sind allerdings das Pastorat und die ehemalige katholische Schule, die im Gebäude neben der Kirche untergebracht war. Erstaunlich ist, dass es in ganz Kohlsberg mehrere Schulen gegeben hat. Neben der katholischen natürlich auch eine evangelische Schule, die im Backsteinhaus von 1871 am Höhmannsberg 43 abgehalten wurde. Doch auch Bauern stellten in ihren Häusern Räume für den Schulunterricht zur Verfügung. Im 19. Jahrhundert war es nicht ungewöhnlich, dass in den Klassen 60 oder sogar 100 Schüler unterrichtet wurden. Die Lehrer verdienten damals allerdings nicht sehr viel. 40 Taler im Jahr, und zehn Taler bekamen sie zusätzlich als "Brenngeld", also zum Heizen. Dazu kam der Wandeltisch. Wandeltisch bedeutet, dass es eine Anzahl von Bauern gab, denen der Lehrer zugeteilt war. Jeden Tag musste er zu einem anderen dieser Bauern gehen und bekam dort sein Mittagessen.

Schräg gegenüber der ehemaligen evangelischen Schule steht ein Haus, in dem der über die Stadtgrenzen hinaus bekannte Schriftsteller Heinz Risse bis zu seinem Tod im Jahr 1989 gelebt hat. Auch ein bebildertes Buch über Solingen stammt aus seiner Feder.

Durch die stillen Straßen und Gassen gelangt man auf einen Feldweg, von wo aus nicht nur ein traumhafter Ausblick auf Wälder und blühende Wiesen möglich ist, sondern auch auf das alte Gut Schirpenbroich. Über abschüssige Wege gelangt man ins untere Kohlsberg und steht bald vor dem Haus, in dem der Schleifer Lebrecht Kaimer, der Großvater des ehemaligen Solinger Oberbürgermeisters, lebte. Heute ist es im Besitz von Gerd Wieland, der von Gerd Kaimer weiß: "Er gehörte zu denen, die in der gesetzlosen Zeit um 1945 im Turm der Kohlsberger Kirche gesessen und aufgepasst haben, dass keine Plünderer kommen."

Beim Gang durch die verwinkelte Hofschaft wird schnell klar, dass hier entweder Bauern oder Handwerker lebten. Dazu kam noch ein Winkelsladen. So wurden früher die Krämerläden genannt. Schreiner, Schleifer, Sattler wohnten hier. Im Jahr 1687 erbauten Haus Nr. 49 war eine Reiderei untergebracht, wo Klingen und Hefte zu ganzen Messern zusammengebaut wurden. Noch heute wird das Haus durch Zeilen aus Psalm 37 geziert: "Hoffe auff den Heerren und thue Gutes, bleibe im Landt und nehre dich redlich. Hab deine Lust am Heeren - Anno 1687 den 17. Iunius".

Hübsche Schieferhäuser und gepflegte Fachwerkhäuser bestimmen das Bild der Hofschaft. Liebevoll angelegte Gärten, eine ratternde Modelleisenbahn, Blumenkästen machen die Idylle komplett. Über einen Lehrer, der im Haus Kohlsberg 3 unterrichtete, vermerkte ein gewisser Albert Pfeiffer im Jahr 1822, er sei ein Lehrer gewesen, der keine Ahnung hatte. Einen Blick wert sind die dunklen Holzschindeln des Gebäudes, die noch original aus dem Jahr 1730 stammen. In den drei Fachwerkhäusern Nr. 21, 23 und 25 waren eine Bäckerei, ein Winkelsladen und ein Frisör untergebracht.

Von hier geht es wieder aufwärts, vorbei an einem Feldweg, der zur Wippe hinabführt. Diesen Weg nahmen einst die Mitglieder des Männergesangsvereins "Eintracht Wipperaue", die sich zum Singen in der Wipperaue trafen. Es heißt, dass während dieser Proben in ganz Kohlsberg nur noch Frauen anzutreffen waren. Um zur Kirche St. Mariä Himmelfahrt zurückzukommen, geht man weiter bergan durch Höhmannsberger Gerstefelder und Wiesen und einem wunderschönen Panoramablick ins Bergische Umland.

Termine / Informationen im Internet: www.stadtfuehrungen-solingen.de

(sue)
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