Solingen Solingen Hbf - ein ganz normaler Streiktag

Solingen · Noch bis Sonntag bestreikt die Lokführer-Gewerkschaft GDL weite Teile des Personennahverkehrs. Wie ist die Lage an den Gleisen? Wie reagieren die Pendler? Wir haben uns am Solinger Hauptbahnhof umgeschaut und umgehört.

So sieht ein Streiktag in Solingen aus
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So sieht ein Streiktag in Solingen aus

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7.56 Uhr - ICE 855: Um diese Uhrzeit ist der Bahnsteig an Gleis 1 eigentlich brechend voll mit Pendlern, die um 8.02 Uhr mit der Regionalbahn 48 nach Köln fahren wollen. Am ersten Tag des 132-stündigen Streiks der Lokführer-Gewerkschaft GDL herrscht hier gähnende Leere. In einem der Wartehäuschen sitzt ein junger Mann mit einem voll bepackten Wanderrucksack. Am Mittelbahnsteig des Solinger Hauptbahnhofes sondiert eine Mutter mit ihrer kleinen Tochter das Angebot des Süßigkeiten-Automaten. Die Frau schaut sichtlich überrascht, als sich aus südlicher Richtung in rasanter Geschwindigkeit ein Zug nähert. Der verspätete ICE 855 brettert durch und wird auf dem Weg nach Berlin erst in Wuppertal halten.

7.59 Uhr - S-Bahn "S7": Die S-Bahn "S 7" aus Remscheid fährt auf Gleis 8 ein. Der vom privaten Verkehrsunternehmen Abellio betriebene "Müngstener" ist der einzige Zug, der in Solingen während der Streiktage fahrplanmäßig unterwegs ist. Lediglich 20 Fahrgäste steigen aus, obwohl kurze Zeit später Anschluss an die "S 1" nach Düsseldorf und weiter nach Dortmund besteht. Dieser Zug steht schon seit einigen Minuten an Gleis 9 bereit.

GDL-Chef Weselsky spricht in Köln
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GDL-Chef Weselsky spricht in Köln

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8.05 Uhr - Eingangshalle: Kai Wand war auf Familienbesuch in seiner Heimatstadt. In wenigen Stunden geht sein Flieger zurück nach Moskau, wo er seit fünf Jahren wohnt und arbeitet. Als Verbindung zum Düsseldorf Flughafen hat er sich im Notfallfahrplan vorab die S-Bahn um 8.13 Uhr ausgeguckt. Weil kein anderer eine Fahrkarte kaufen will, kann er an einem der Automaten ganz ungestört nach einer Verbindung suchen, die ihn direkt zum Terminal-Bahnhof bringt. Nach minutenlangem Tippen auf dem Display entscheidet er sich für die sicherere Variante: "Ich werde wohl am Fernbahnhof aussteigen und dann den Skytrain nutzen."

8.13 Uhr - S-Bahn "S 1": Wie an jedem normalen Bahn-Tag gibt es zu dieser Uhrzeit kaum einen Vierer-Sitz, der in der "S 1" nicht besetzt ist. Für Sarah Busch bedeutet der Streik in den nächsten Tagen ein etwas früheres Aufstehen: "Normalerweise nehme ich immer erst die Bahn 20 Minuten später". Daniel Hennig gibt sich gelassen, weil er sich nicht umstellen muss. "Die S-Bahn um 8.13 Uhr ist ohnehin meine gewohnte Verbindung, um zur Arbeit zu kommen."

8.17 Uhr - S-Bahn "S 7": Ein aus Norden kommender Güterzug passiert den Hauptbahnhof. Sollen die nicht auch seit Montagabend bestreikt werden ? Die Personen auf Bahnsteig 9 nehmen ihn trotz des hohen Geräuschpegels kaum wahr. Franziska Pütz begrüßt indes ihre Freundin, mit der sie zur Universität fährt. Die Verspätung des Busses bleibt ohne Folgen, weil nur sieben Minuten nach der Abfahrt der nur im Stundentakt verkehrenden "S 1" auch ein Abellio-Zug nach Düsseldorf fährt. Glück gehabt, obwohl in der "S 7" bereits beim Eintreffen kaum noch ein Sitzplatz frei ist.

8.25 Uhr - ICE 103: Paulino Figueroa hat seine Reisetasche und einen Strauß Rosen auf einer Bank abgelegt. Er kramt seine Fahrkarte aus der Jacke und gleicht seine Verbindung mit dem Plan der Abfahrten ab. Eigentlich kommt sonst zwei Minuten später ein ICE 103 nach Basel, doch der fällt genauso aus wie (fast) alle Fernzüge, die sonst in Solingen halten. "Mein Zug fährt zum Glück", sagt der Gummersbacher, der eine morgendliche Odyssee hinter sich gebracht hat, um irgendwie nach Ulm zu kommen. "Eigentlich wäre ich um 8.30 Uhr von Gummersbach direkt nach Köln gefahren - aber keine Chance." Also ging es für den Reisenden stattdessen um 6.13 Uhr per Bus durchs Oberbergische nach Lennep und von dort weiter per S-Bahn nach Solingen.

8.41 Uhr - Info-Schalter an Gleis 1: Für die beiden Bahn-Mitarbeiter im Info-Schalter ist es ein ruhiger Dienst. "Natürlich haben wir kaum etwas tun. Keine Züge bedeuten keine Fahrgäste." Während an anderen Bahnhöfen in der Umgebung Nahverkehrszüge halten, geht von Solingen nach Köln gar nichts. Alle Fahrten des Regional-Expresses 7 und der Regionalbahn 48 sind während des Streiks gestrichen. Anita Scarlino und Luciana Senatore wissen zwar, dass sie erst den ICE um 9.27 Uhr nutzen wollen, um zu einer Schulung nach Köln zu kommen. Trotzdem erkundigen sie sich, ob es nicht vielleicht doch noch eine andere Verbindung besteht. "Wir haben es gehofft". Die freundliche Mitarbeiterin am Schalter jedoch kann nur mit dem Kopf schütteln.

8.45 Uhr - Bus 782: Mit ein paar Minuten Verspätung trifft der Rheinbahn-Bus der Linie 782 aus der Düsseldorfer Altstadt ein. "Es ist ziemlich viel los auf den Straßen", sagt der Fahrer, der heute mehr Fahrgäste als üblich in die Landeshauptstadt bringt. Die Alternativ-Verbindung zur S-Bahn "S 1" ist derart ausgelastet, dass in den Morgenstunden am Margaretenhof nur noch Stehplätze zu bekommen sind. In Hilden-Süd, nur fünf Haltenstellen später, hat der Bus lediglich zum Aussteigen gehalten. "Ich musste sogar Leute draußen stehenlassen, weil kein Zentimeter Platz mehr war."

9.02 Uhr - S-Bahn "S7": Mehr als 30 Personen warten auf dem Mittelbahnsteig auf den zweiten Abellio-Zug, der wie jeden Tag zum Düsseldorfer Hauptbahnhof durchfährt. Kaum ist die voll besetzte "S 7" abgefahren, füllt es sich nach und nach auf der gegenüberliegenden Seite. Einige Personen haben großes Gepäck dabei, in der Mehrzahl allerdings sind es Berufstätige oder Studenten, die mit einem Verbundticket den angekündigten ICE 517 nutzen wollen. Der Streik macht es möglich, dass sie den Zug damit nutzen dürfen.

9.27 Uhr - ICE 517: Der ICE 517 nach München trifft auf die Minute pünktlich ein. Warum auch nicht ? Es sind ja kaum andere Züge unterwegs, die den Fahrplan durcheinanderbringen könnten. Die rund 80 Personen, die in Solingen einsteigen, finden alle problemlos einen Sitzplatz - auch Paulino Figueroa, der dreieinhalb Stunden später mit nur fünf Minuten Verspätung den Strauß Rosen in Ulm überreichen wird. Es ist im Übrigen die vorerst letzte Abfahrt eines Zuges in Richtung Köln an diesem Tag. Die nächste und einzige Direktverbindung besteht um 23.09 Uhr mit dem Spät-ICE aus Berlin. Der Weg in die Domstadt mit der Deutschen Bahn führt bis Sonntag nur über Düsseldorf.

(gra)
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