Totes Kind in Solingen Keine Kerze, keine Blume, kein Kreuz

Am Mittwochabend ist in Solingen ein Mädchen gewaltsam ums Leben gekommen. Zwei Tage nach der Tat herrscht in der Siedlung Schweigen. Öffentlich sichtbar trauern wollen die Nachbarn nicht.

Solingen: Dreijähriges Mädchen stirbt durch Misshandlungen
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Dreijähriges Mädchen stirbt in Solingen

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Foto: Anja Wollschlaeger

Ein weißer Transporter mit abgedunkelten Scheiben parkt am Freitagmorgen in der Solinger Zeppelinstraße. Auffällig ist daran nur das Kennzeichen. Wie auch Polizeiwagen hat das Fahrzeug die Buchstaben "NRW" auf dem Kennzeichen stehen. Eine Passantin will gesehen haben, wie Mitarbeiter der Spurensicherung in das Haus gegangen sind.

An dem Ort, an dem eine Notärztin am Mittwochabend den gewaltsamen Tod des kleinen Mädchens in der Wohnung der 24 Jahre alten Mutter festgestellt hat, gibt es zwei Tage danach keine Kerzen, keine Blumen, keine Kreuze.

In der Straße stehen Mehrfamilienhäuser und dazwischen produzieren kleine Gewerbebetriebe. Neubauten reihen sich an Altbestand - eine durchmischte Struktur, typisch für das Bergische Städtedreieck.

Eine Nachbarin sagt, dass sie die Familie flüchtig kannte. Das Mädchen sei "süß" gewesen, wollte immer den Hund der Nachbarin streicheln. Mehr will sie nicht sagen — ergänzt aber: "Ich habe überlegt, ob ich eine Kerze aufstelle." Doch als sie nach der Tat mehrere Kamerateams in der Straße sah, habe sie die Idee verworfen. Sie wünsche der Mutter lieber im Stillen alles Gute - ohne Kerze. Viele der anderen Nachbarn haben ihre Jalousien und Vorhänge geschlossen. Eine Frau sagt, die Nachbarn stehen zu der Mutter und wünschen, dass das Verbrechen bald aufgeklärt wird.

Am Freitag wurden neue grausige Details des Verbrechens bekannt. Die Obduktion habe eine "massive äußere Gewalteinwirkung" ergeben, sagte ein Sprecher der Wuppertaler Staatsanwaltschaft am Freitag. Das Mädchen hatte demnach innere Blutungen und sei zudem verbrüht worden. "Das in Kombination war nicht zu überleben."

Gegen den Freund der Mutter erließ der Haftrichter am Freitag Haftbefehl wegen des Verdacht auf Mord. Der 18-Jährige gebürtige Solinger war nach der Tat am Mittwochabend festgenommen worden. Zuvor hatte die 24 Jahre alte Mutter eine Notärztin alarmiert, weil ihre Tochter nicht mehr atmete. Der 18-Jährige habe gemeinsam mit der 24-Jährigen und ihrem Kind in der Solinger Wohnung gelebt.

Die Einsatzkräfte des Rettungsdienstes haben sich noch am Abend mit dem Team der psychosozialen Unterstützung getroffen und das erlebte Besprochen. Notfallseelsorgerin Simone Henn-Pausch berichtet, dass Einsätze mit Kindern Rettungskräfte immer extrem belasten und unter Stress setzen. Noch Jahrzehnte danach erzählen sie von diesen belastenden Erlebnissen.

Am Freitagmorgen trafen sich Henn-Pausch und das Team noch einmal mit den Rettungskräften. Wichtig, so sagt sie, sei es den Einsatzkräften dabei zu helfen, die Eindrücke zu verarbeiten. In den nächsten Wochen müssen sie damit rechnen, dass sie sich immer wieder im Alltag an das Erlebte zurückerinnern. Die Theologin sagt: "Vergessen werden sie Einsätze wie diesen nie."

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