Solingen Solinger gedenken der Pogromnacht

Solingen · Am Ort der früheren Synagoge an der Malteserstraße trafen sich gestern rund 200 Solinger - darunter viele Schüler-, um die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wachzuhalten.

 Oberbürgermeister Tim Kurzbach sprach beim Gedenken an die Pogromnacht an der ehemaligen Synagoge an der Malteserstraße.

Oberbürgermeister Tim Kurzbach sprach beim Gedenken an die Pogromnacht an der ehemaligen Synagoge an der Malteserstraße.

Foto: Stephan Köhlen

Eine Inschrift erinnert an die Bedeutung des Ortes, der an den Schulhof des Gymnasiums Schwertstraße angrenzt: Dort, wo seit Jahrzehnten ein wuchtiger Betonklotz einen großen Schatten wirft, stand einst die Synagoge der jüdischen Gemeinde Solingen. Gestern jährte sich zum 77. Mal die Reichspogromnacht und damit auch die Zerstörung der Versammlungsstätte an der Malteserstraße - genau wie die Verwüstung hunderter anderer Synagogen und tausender jüdischen Geschäfte und Wohnhäuser im gesamten deutschen Reichsgebiet.

Mindestens 91 Menschen starben nach offizieller Lesart in der Nacht auf den 10. November 1938, die die Nationalsozialisten zynisch als "Reichskristallnacht" bezeichneten. Unter den Opfern war damals auch der Solinger Journalist Max Leven. "Diese Nacht überschritt die Grenze von der Diskriminierung bis zur Ermordung der Juden", sagte Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) in seiner Ansprache zum offiziellen Gedenkakt.

Rund 200 Solinger waren auf Einladung des Solinger Bündnisses für Toleranz und Zivilcourage einmal mehr zum alten Bunker an der Malteserstraße gekommen, um der Gräuel des Nationalsozialismus zu gedenken und zugleich dessen Opfer zu würdigen: An die erinnerten Holztafeln, die die Teilnehmer der Kundgebung im Anschluss an die Redebeiträge ins Theater und Konzerthaus trugen. Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Jüdischer Friedhof von der Alexander-Coppel-Gesamtschule hatten die Tafeln angefertigt.

Viele Schüler der Schwertstraße schlossen sich dem Demonstrationszug an. "Das ist beispielhaft für viele andere Städte", lobte Leonid Goldberg von der Jüdischen Kultusgemeinde. Rabbiner Dr. David Vinitz sprach das Gebet für die im Dritten Reich ermordeten Juden. Dass es bei der Gedenkveranstaltung nicht nur um die Erinnerung an die Vergangenheit, sondern auch um Lehren für die Zukunft ging, verdeutlichte Pfarrer Edgar Daub von der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen: "Nicht Religion ist die Ursache für Hass und Gewalt, es ist ihr Missbrauch, der dazu führt."

Mit klaren Worten wandte er sich gegen die Pegida-Bewegung und ihren selbst erklärten Anspruch, das "christliche Abendland retten zu wollen": "Nicht ein Territorium ist christlich - die Menschen sind es." Religion solle dabei helfen, einander zu respektieren. Eine Stellungnahme zum beherrschenden Thema der Gegenwart gaben auch die beteiligten Jugendlichen ab: Sie scharten sich hinter ein Banner mit der Aufschrift "Refugees welcome - gegen Rassismus und Ausgrenzung."

Oberbürgermeister Tim Kurzbach bekräftigte derweil den Wunsch, gemeinsam mit dem Stadtarchiv eine zentrale Gedenkeinrichtung in Solingen schaffen zu wollen: "Alle Solinger sind eingeladen, dabei mitzuwirken."

(ied)
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