Wo steckt Christian Emde? Solinger IS-Mann wird international gesucht

Solingen · Christian Emde galt als Schlüsselfigur des "Islamischen Staates". Zuletzt soll er sich in Syrien aufgehalten haben.

 Bewaffnete Anhänger des Islamischen Staates in der Wüste. (Symbolfoto)

Bewaffnete Anhänger des Islamischen Staates in der Wüste. (Symbolfoto)

Foto: AP

Es war ein geradezu bizarrer Auftritt gewesen - und noch dazu einer vor einer martialischen Kulisse mit zwei schwerbewaffneten sowie vermummten Gestalten. Im Dezember 2014 gab der Solinger Christian Emde als Vertreter des sogenannten Islamischen Staates dem deutschen Publizisten Jürgen Todenhöfer im irakischen Mossul ein Interview. Erst wenige Monate zuvor waren Kämpfer der Terrormiliz in der Millionenstadt im Norden des Irak einmarschiert, um dort unter den Bürgern eine regelrechte Schreckensherrschaft zu etablieren. Und nun drohte der Konvertit Emde unter anderem mit Anschlägen in der Bundesrepublik.

Drei Jahre sind seit dem denkwürdigen TV-Auftritt des mittlerweile 33 Jahre alten Islamisten vergangen. Im Sommer des zurücklegenden Jahres gelang es einer internationalen Anti-IS-Koalition, die Metropole am Tigris von den Terroristen zu befreien.

Tausende IS-Milizionäre verloren bei der Schlacht um Mossul ihr Leben oder gingen in Gefangenschaft. Aber Christian Emde war nicht darunter. Denn nach Einschätzung bundesdeutscher Sicherheitskreise dürfte sich der Solinger, der im Jahr 2011 in Großbritannien gemeinsam mit einem Freund wegen des Einschmuggelns von Plänen zum Bombenbau zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden war, mit Gesinnungsgenossen zuvor bereits ins benachbarte Syrien abgesetzt haben.

So könnte Emde noch eine Zeit lang in der Stadt Rakka Unterschupf gefunden haben. Allerdings war auch dieser Rückzugsort nicht von langer Dauer. Nur wenige Monate nach dem Fall von Mossul wurde der "Islamische Staat" im Oktober 2017 nämlich auch aus der Stadt am Euphrat vertrieben, die über mehrere Jahre hinweg den Terroristen des selbst ernannten "Kalifats" als ein militärischer Hauptstützpunkt gedient hatte - und die Spur des Solinger Islamisten verlor sich bis auf Weiteres.

Was im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass Emde fortan vor einer Strafverfolgung in der Bundesrepublik geschützt wäre und ihn die deutschen Behörden sozusagen vom Radar genommen hätten. Im Gegenteil, steht der Mann, der seine Kindheit sowie Jugend in der Klingenstadt erlebte und erst als Erwachsener zum Islam konvertierte, als Mitglied einer ausländischen terroristischen Vereinigung doch nach wie vor auf den Listen der Fahnder.

Dabei sind sowohl Polizei als auch Geheimdienste davon überzeugt, dass der Konvertit mit dem Kampfnamen Abu Qatada weit mehr als einfach nur ein Mitläufer des IS ist. Denn im Jahr 2016 tauchten im Zuge von Recherchen der "Süddeutschen Zeitung", des WDR und des NDR interne Papiere des Islamischen Staates auf, aus denen hervorgeht, dass Christian Emde eine entschieden höhere Stellung innerhalb der Terrororganisation gehabt haben könnte, als bis dato vermutet worden war.

So wurde der Solinger in den Dokumenten, die in der Folge von deutschen Sicherheitsbehörden als echt eingeschätzt wurden, als eine Art Rekrutierer des "Islamischen Staates" geführt. Im Klartext: Bevor "Rekruten" des IS in den Jahren des "Kalifats" zwischen 2014 und 2017 in das damalige Kampfgebiet in Syrien sowie im Irak einreisen durften, um dort beispielsweise als Selbstmordattentäter Anschläge zu verüben, mussten diese Nachwuchs-Terroristen zunächst einmal eine "Bürgschaft" gewissermaßen als Empfehlung für zukünftige Operationen vorweisen - wobei Emde nach Überzeugung der zuständigen Stellen zu eben jenen "Bürgen" gehörte.

Inwieweit von dem Solinger aktuell eine Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland ausgeht, ist unklar. Nach dem faktischen militärischen Ende des "Islamischen Staates" im Nahen Osten befürchten die Behörden aber sehr wohl, dass etliche nach 2013 ausgereiste IS-Kämpfer versuchen könnten, nach Europa zurückzukehren, wo sie möglicherweise als Attentäter aktiv werden würden.

Tatsächlich hatten sich seinerzeit speziell aus Solingen und dem Bergischen Land eine ganze Reihe von Islamisten in die syrischen beziehungsweise irakischen Bürgerkriegsgebiete abgesetzt. In der Mehrzahl dieser Fälle waren die Islamisten in den Jahren zuvor in der im Sommer 2012 vom Bundesinnenminister geschlossenen "Millatu-Ibrahim"-Moschee in einem Hinterhof an der Konrad-Adenauer-Straße in der Nordstadt ein und aus gegangen.

Dort hatten die Mitglieder des gleichnamigen Moscheevereins vor allem ab 2011 einer besonders strengen Lesart des Koran angehangen und sich immer stärker radikalisiert. Zuletzt, im Frühjahr 2012, entwickelte sich die Moschee der Salafisten schließlich sogar zu einem regelrechten Zentrum der Szene. So hielten sich auch die später in Syrien zu trauriger Berühmtheit gelangten Denis Cuspert sowie Mohamed Mahmoud phasenweise in der Klingenstadt auf.

Nach den salafistischen Ausschreitungen vor dem Rathaus am 1. Mai 2012 und dem kurz darauf erfolgten Verbot des Moscheevereins verschwanden viele der Extremisten dann eine Weile von der Bildfläche, bevor sie anschließend im Bürgerkriegegebiet als Terroristen wieder auftauchten.

Einige der Solinger Salafisten bezahlten ihren Kampf für das "Kalifat" inzwischen mit dem Leben. So gelangte 2017 eine Twitter-Nachricht an die Öffentlichkeit, in der der Tod des Walders Sami J. bekannt gegeben wurde. Und zuvor soll sich - schon 2014 - der Solinger Robert Baum bei einem Selbstmordattentat im Irak in die Luft gesprengt und Dutzende von Menschen mit in den Tod gerissen haben. Baum war der Mann, der zusammen mit Christian Emde 2011 in England verhaftet worden war.

(or)
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