Solingen Solinger Widerstand gegen Erdogan wächst

Solingen · Solidaritätsaktion mit inhaftiertem Journalisten Deniz Yücel geplant. Türkischer Volksverein will Kontaktstopp zu Ditib.

 Ali Dogan ist Sprecher des Türkischen Volksvereins.

Ali Dogan ist Sprecher des Türkischen Volksvereins.

Foto: Mak (Archiv)

Gegenseitige Verdächtigungen, Beschimpfungen im Internet sowie eine Atmosphäre des Misstrauens: Der Wahlkampf in der Türkei und die damit einhergehenden tiefen Zerrüttungen im deutsch-türkischen Verhältnis werfen auch auf das Zusammenleben in der Klingenstadt einen immer größeren Schatten. Aus diesem Grund ist gestern der Türkische Volksverein Solingen und Umgebung erstmals in die Offensive gegangen und fordert die Stadt und andere gesellschaftliche Gruppen jetzt auf, die Beziehungen zu den Solinger Ditib-Gemeinden bis auf Weiteres ruhen zu lassen.

"Solange die dortigen Imame aus der Türkei kommen, sollte es mit diesen Gemeinden keinen Dialog geben", sagte der Sprecher des Volksvereins, Ali Dogan, am Dienstag im Gespräch mit unserer Redaktion. So handele es sich bei den Ditib-Vorbetern um Anhänger des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan sowie von dessen Regierungspartei AKP. Und zudem seien die Moscheen - wie im Übrigen alle muslimischen Gotteshäuser in der Klingenstadt - "politische Einrichtungen".

"Die türkische Gemeinschaft in Solingen ist in der Frage um das Referendum in der Türkei zerrissen", betonte Dogan. Beispielsweise trauten sich etliche Deutschtürken in der Stadt kaum mehr, ihre Meinung zu Machthaber Erdogan öffentlich zu äußern, da sie sonst Repressionen zu befürchten hätten, berichtete der Sprecher des Volksvereins aus dem Alltag.

Dementsprechend will Ali Dogan in den verbleibenden Wochen bis zu der Abstimmung im April vor allem Überzeugungsarbeit leisten. So planten die Solinger Erdogan-Kritiker zwar keine Veranstaltungen. Dennoch gelte es nun, möglichst viele Wahlberechtigte davon zu überzeugen, mit einem Nein gegen noch größere Befugnisse für Erdogan zu stimmen.

Die Ditib-Gemeinde in der Solinger Innenstadt gab gestern trotz Nachfrage keine Stellungnahme zu den ihr zur Last gelegten Vorwürfen ab. Dagegen unterstrich die Stadt Solingen einmal mehr, antidemokratischen Tendenzen keinen Raum zu geben. "Wer die Freiheit und die Demokratie bedroht, hat in der Klingenstadt eine große Mehrheit gegen sich - mit dem OB an der Spitze", sagte Oberbürgermeister Tim Kurzbach gegenüber unserer Redaktion und zog so eine klare Grenze.

Als Stadtoberhaupt sehe er seine Aufgabe aber auch darin, "zu versöhnen und nicht die Spaltung zu vertiefen", erklärte Kurzbach, der dementsprechend auf die Notwendigkeit zu einem fortgesetzten Dialog verwies.

Es sei wichtig, dass alle Seiten im Gespräch miteineinander blieben, richtete der Oberbürgermeister einen Appell an die unterschiedlichen Gruppen. "Ich setze in guter Tradition auf den ,Wandel durch Annäherung'", zitierte Kurzbach einen Leitsatz der sozialdemokratischen Ostpolitik aus den 60er sowie 70er Jahren und betonte gleichzeitig, die Stadt spreche mit allen, die "auf demokratischer Basis leben und arbeiten".

Tatsächlich ist die Aushöhlung des Rechtsstaates und der Demokratie in der Türkei nicht allein ein Thema unter Solingern mit türkischen Wurzeln. So kündigte der ehemalige Leiter des Mildred-Scheel-Berufskollegs, Frank Plümacher, am Dienstag an, in der kommenden Woche auf dem Alten Markt eine Solidaritätskundgebung für den in der Türkei inhaftierten Korrespondenten der Tageszeitung "Die Welt", Deniz Yüzel, zu veranstalten.

Yüzel ist seit mehreren Wochen in Gefangenschaft. Sein angebliches Vergehen: Dem Journalisten wird durch Erdogan vorgeworfen, ein "Terrorhelfer" zu sein.

(or)
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