Bergischer Hc Preuss freut sich auf Brasilien

Solingen · Der Kreisläufer des BHC fliegt in zwei Wochen mit den deutschen Handball-Junioren zur Weltmeisterschaft.

Vor ziemlich genau einem Jahr traf sich Moritz Preuss schon einmal mit unserer Redaktion an den Clemens-Galerien in Solingen. Damals war der Kreisläufer ein Zugang des Bergischen HC, und er wusste nicht so recht, wie sich seine erste Saison in der Handball-Bundesliga gestalten würde, denn immerhin kam er vom Drittligisten Bayer Dormagen und laborierte an den Folgen eines Kreuzbandrisses. 360 Tage später kann man sagen: Der heute 20-Jährige ist voll eingeschlagen.

Nur die Partien gegen Magdeburg und in Hannover verpasste Preuss, 44 Tore in 34 Spielen und eine Wurfquote von 77,19 Prozent sind respektable Werte für eine Premieren-Saison. Ursprünglich als dritter Mann hinter Max Weiß und Benjamin Meschke eingestuft, löste er letzteren mehr und mehr ab, brachte stets Energie und Einsatz ins Spiel und erhielt einen neuen Vertrag bis 2017. Sein Kapitän Viktor Szilágyi lobt seine Unbekümmertheit, sein Kollege Weiß die körperlichen Voraussetzungen, sein Trainer Sebastian Hinze die gesamte Entwicklung. Kein Wunder, dass Preuss' Fazit nach seiner ersten Bundesligasaison dann auch so ausfällt: "Ich bin auf jeden Fall sehr zufrieden, es hätte nicht besser laufen können."

Der Rückblick des 1,94-Meter-Mannes ist umsichtig: "Von meinem Gefühl her hatte ich in den ersten drei Spielen Startprobleme. Ich musste mich an die erste Liga gewöhnen und vom Kopf her wieder hinkriegen, dass es mit dem Knie nach dem Kreuzbandriss wieder gut ist. Aber die Mannschaft hat mich direkt super aufgenommen, und das macht es einfacher, Spiele zu bestreiten. Ich habe schnell gemerkt, wo ich stehe und woran ich arbeiten muss." Der Schritt von der dritten in die erste Liga sei ein riesiger gewesen: "Vom Körperlichen her ist das ein rapider Unterschied. In der dritten Liga hast du kleine, schnellere Spieler, in der ersten unfassbar körperlich starke. Ich konnte mich durch meine körperlichen Voraussetzungen aber zum Glück schnell daran gewöhnen." Zudem hatte er einen weiteren Anreiz: "Viele haben geschrieben, ich sei ein Neuzugang für die Oberliga", erinnert Preuss und ergänzt: "Das hat mich angespornt, es den Leuten zu zeigen - und es ist dann ziemlich schnell verflogen."

Nach seinem Abitur an der Lore-Lorentz-Schule in Düsseldorf nutzte Preuss die Chance, zunächst Vollprofi zu werden - das soll auch in der neuen Saison so sein, aber er will sich schon einmal umschauen, was die Zeit nach dem Sport bringen soll. "Vielleicht ein Fernstudium oder eine Ausbildung. Ich könnte mir vorstellen, was in Richtung Ökotrophologie im pädagogischen Bereich mit Kleinkindern zu machen. Es gibt immer mehr Studien, die zeigen, dass jeder fünfte Deutsche übergewichtig ist. Das Thema wird von Jahr zu Jahr interessanter. Und ich arbeite unwahrscheinlich gerne mit Kindern, ich habe schon viele Praktika in Grundschulen gemacht", berichtet Preuss, der von seiner Mutter, die bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung gearbeitet hat, ernährungstechnisch einiges mitbekommen hat. Sie war naturgemäß auch eine wichtige Anlaufstelle bei seinem Start im Bergischen Land: "Das war ein kompletter Neuanfang für mich. Ich bin das erste Mal von zu Hause ausgezogen, musste alles selbst managen, einkaufen, kochen, waschen. Ich bin am Anfang mit dem Kochbuch zu Aldi gegangen und habe nach Rezept eingekauft. Und ich habe viel zu Hause angerufen, zum Beispiel um zu fragen, wie man Brokkoli zubereitet oder die Tomatensauce", erzählt Preuss lachend.

Inzwischen sind diese "Geheimnisse" keine mehr, der 20-Jährige ist ein gestandener Profi, der nicht nur für den BHC, sondern auch für die deutsche Junioren-Nationalmmannschaft spielt. Und mit dieser geht es ab 14. Juli zur Weltmeisterschaft nach Brasilien - es ist die weiteste Reise, die Preuss je unternommen hat. "Ich bin noch nie länger als drei, vier Stunden geflogen. Das ist jetzt natürlich ein anderes Kaliber." Der Kreisläufer, der die letzten beiden großen Junioren-Turniere wegen Verletzungen (Syndesmosebandriss, Kreuzbandriss) verpasste, fühlt sich und das Team aber bestens vorbereitet: "Wir haben ja einige Lehrgänge hinter uns und auf die WM zugearbeitet. Wir haben am Wochenende ein gutes Zeichen gesetzt und etwa mit Spanien und Frankreich echt gute Mannschaften geschlagen. Wir haben die Tests mit Bravour gemeistert. So wollen wir auch in Brasilien auftreten."

Dem Turnier hat Preuss nach dem Klassenerhalt mit dem BHC alles untergeordnet: Urlaub gab es nicht, ab heute geht es zur Entspannung gerade mal für zwei Tage nach Holland ans Meer. "Es wäre aber auch komisch, vor einer WM zwei Wochen Mallorca zu machen", meint Preuss grinsend. "Einen größeren Urlaub lässt man für so ein Event gerne ausfallen." Abseits des Sportlichen hat er sich mit Brasilien noch nicht eingehender beschäftigt: "Wir haben zwischen den Spielen mal einen Tag frei, wo wir herumgeführt werden. Aber mit Land und Leuten habe ich mich noch nicht beschäftigt. Wir fahren dahin, um Weltmeister zu werden. Da kannst du nicht am Strand liegen und Cocktails schlürfen." Seine Mitspieler Kristian Nippes und Weiß sowie der Ex-BHC-Kreisläufer Hendrik Pekeler wurden schon Junioren-Weltmeister - darauf hat BHC-Physiotherapeut Carsten Walonka noch einmal explizit hingewiesen: "Er hat mir gesagt, dass ich deswegen ein bisschen unter Druck stehe", sagt Preuss. Sein Grinsen verrät, dass er damit bestens umgehen kann. Auch das hat seine erste Bundesligasaison bewiesen.

(ame)
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