Ehrung Solinger Sport 2015/16 Der Vulkan im Tor der Bergischen Handballer

Solingen · Die drei Nominierten zur Ehrung unserer Zeitung als Sportler der Saison im Porträt: Björgvin Gustavsson, Oliver Gies und Viktor Szilágyi.

 Die Jubelpose von BHC-Torwart Björgvin Gustavsson gab es vor allem in der Rückrunde häufiger.

Die Jubelpose von BHC-Torwart Björgvin Gustavsson gab es vor allem in der Rückrunde häufiger.

Foto: Imago (Archiv)

Torhüter sind häufig etwas eigen. Im Fußball sowieso, aber auch im Handball. Wer Björgvin Gustavsson zwischen den Pfosten beim Bergischen HC beobachtet, weiß, dass der Isländer "auf 180" ist. Immer. Der 31-Jährige geht in seinem Torraum auf und ab, schlägt nach verpassten Bällen mit den Händen auf den Boden, hadert, ruft seinen Mitspielern nach. Wenn ihm etwas nicht passt, gibt es auch gerne mal ein paar deftigere Worte Richtung Gegner oder die eine oder andere hitzige Diskussion mit den Schiedsrichtern. Keine Frage, Gustavssons Art hat Unterhaltungswert. "Wir Isländer sind so", sagt Gustavsson. "Die Energie muss irgendwie raus. Im Angriff ist das leicht, aber mein Problem ist, dass ich auf der anderen Seite des Spielfeldes stehe."

Ein ruhiger, besonnener Schlussmann wird Gustavsson nicht mehr. Der isländische Nationaltorwart liefert stets eine emotionale und spektakuläre Interpretation seiner Position und passt damit perfekt zum Bergischen HC. Denn der Verein definiert sich sportlich über Kampf und Leidenschaft. Zwei Tugenden, die Gustavsson nicht abzusprechen sind. "Ich möchte mit meinen Emotionen natürlich auch für einen Ruck im Team sorgen, eine positive Stimmung kreieren", sagt der 31-Jährige. "Aber klar, nach jedem Spiel frage ich mich, ob es diesmal vielleicht etwas zu viel oder an anderen Tagen vielleicht auch mal etwas zu wenig war. Aber das passiert immer erst nachher." Während den Duellen befindet sich Gustavsson im Handball-Tunnel. Nur die nächste Parade zählt. Davon hatte der Keeper in dieser Saison viele.

In der Rückrunde der Handball-Bundesliga lief er zu Hochform auf. Auch seinen Vorstellungen hat der Klub es zu verdanken, dass er letztlich den Klassenerhalt doch noch souverän geschafft hat. Hatte das Team auf einem Abstiegsplatz überwintert, ging es im Jahr 2016 bergauf. In Lemgo feierten die Bergischen ihren ersten Auswärtssieg nach mehr als einem Jahr. Es folgten Siege über die TSV Hannover-Burgdorf, den SC Magdeburg, den TuS N-Lübbecke und die HSG Wetzlar. Gustavsson bot dabei mehrere Halbzeiten mit acht bis zehn Paraden - ein Spitzenwert. Mit Ausnahme von Lübbecke lag seine Fangquote in den genannten Partien gesamt bei mehr als 40 Prozent. Dazu kam eine fantastische Vorstellung im Halbfinale des nationalen Pokals, das der BHC nach Verlängerung gegen Magdeburg verlor. "Es lag auch an der Mannschaft, dass die Rückrunde für mich so gut gelaufen ist", erläutert Gustavsson. "Die Abwehr funktionierte am Ende der Saison hundertprozentig, was es mir natürlich leichter gemacht hat."

Von einer Abstiegsangst wollte der Torhüter vorher, als der Verein enorme Verletzungsprobleme hatte, nichts wissen. "Angst hatte ich nie, aber ich habe schon die realistische Chance gesehen, dass wir den Klassenerhalt nicht packen könnten. Ich glaube, das hat mir noch mal einen Extra-Push gegeben." Letztlich ist der Keeper mit der Saison zufrieden. "Gerade, weil es am Ende so gut lief und wir sogar noch Zwölfter geworden sind. Damit können wir sehr gut leben."

Angefangen hat Gustavsson mit dem Handball bereits im Alter von acht Jahren. "Ich habe in Island alle drei großen Ballsportarten betrieben - Handball, Fußball und Basketball. Die endgültige Entscheidung für den Handball habe ich erst mit 15 getroffen", sagt der Torwart. "Die Sportart lag mir am meisten, weil sie die dynamischste ist und dadurch die Energie entsteht, die ich zum Spielen brauche."

Ob er sich angesichts des derzeitigen Erfolgs der Fußball-Nationalmannschaft ärgert, sich dem Handball verschrieben zu haben? "Nein, nein", sagt Gustavsson lachend. "Aber was die Fußballer da gerade leisten, ist einfach unglaublich. Alle fiebern mit." Der Torhüter verbringt gerade seinen Sommerurlaub in der isländischen Heimat. "Ich bin stolz, dass ich einer von 300.000 bin."

Mit 323.000 Einwohnern hat Island weniger Bevölkerung als Wuppertal. "Aber jetzt gerade wollen alle Isländer sein", schwärmt Gustavsson, der eigentlich beim Achtelfinale gegen England (2:1) dabei sein wollte. "Tickets hatte ich schon, aber es hat leider mit dem Flug nicht geklappt", hadert er. "Und dann gewinnen wir auch noch." Ob es jetzt zum Viertelfinale geht? "Nein, gegen England hat es ohne mich geklappt. Es bringt Glück, wenn ich jetzt die ganze EM von zu Hause verfolge."

(trd)
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