Helmut Weissenbach "Wir bauen nicht auf Nichts auf"

Solingen · Der Manager der Solingen Volleys spricht über die Trennung von Trainer Arno van Solkema, mögliche Nachfolger, die Entwicklung des Standortes in der ersten Bundesliga und die gestiegene Arbeit im Vergleich zur Zweiten Liga.

 Helmut Weissenbach sieht eine positive Entwicklung bei seinen Volleys.

Helmut Weissenbach sieht eine positive Entwicklung bei seinen Volleys.

Foto: Köhlen (Archiv)

Die Trennung von Trainer Arno van Solkema nach acht Niederlagen in der Bundesliga erfolgte plötzlich. Wie kam es dazu?

Weissenbach Die Pressemitteilung, die wir danach verschickt haben, brachte schon einiges zum Ausdruck. Unser Kapitän hat zusätzlich ein wichtiges Statement aus Mannschaftsperspektive abgegeben. (Oliver Gies hatte unter anderem gesagt, der Trainer habe die Mannschaft nicht mehr erreicht, Anm. d. Redaktion). Natürlich zieht man eine Zwischenbilanz und betrachtet das Ergebnis nüchtern. Da haben wir die letzten Spiele Revue passieren lassen und uns gefragt: Wo stehen wir aktuell, wo wollen wir hin?

Hätte man nicht vorher schon sehen können, ob es passt?

Weissenbach Nein, beim Trainer-Recruiting geht und ging es um die Frage: Warum haben wir uns für den Trainerkandidaten Arno van Solkema entschieden? Oliver Gies und ich haben uns vorher mit ihm in Duisburg zum Casting getroffen und ihn zu vielen Bereichen, Konzept Bundesliga, Talentförderung und sonstiger Kompetenzen und Fähigkeiten befragt. Da hat er viel von Visionen vom Hallenvolleyball bis zum Beachvolleyball durchblicken lassen. Das breite Spektrum an Möglichkeiten hatte mich beeindruckt. Das aktuelle Motto in einem Zwischenfazit ist aber nicht: ,Yes we can', sondern ,Yes, we do!'. Wir können nicht im Konjunktiv leben, sondern müssen schauen, dass wir unsere Möglichkeiten optimal ausschöpfen und unsere Fehler auf dem Spielfeld abstellen. Dazu müssen alle immer einen optimalen Konsens erzielen.

Und daran haperte es?

Weissenbach Ich habe mich in den letzten vier Wochen mehr involviert, habe mir das Training und auch die Spieltagsvorbereitungen angeschaut. Es gab einige Dinge, von denen ich dachte, die wären stärker beim Trainer angesiedelt, da musste ich nachjustieren und die Verantwortlichkeiten definieren. Stichwort Athletiktraining: Ich habe David Groeger (Athletiktrainer auch des Handball-Bundesligisten Bergischer HC, d. Red,) mit unserem Teamarzt Dr. Robert Weindl angedockt, damit wir mehr auf unser Kapital Körper achten. Das wird vom Team sehr gut angenommen. Es war wichtig, in die Mannschaft reinzuhören und die hat zu vielen Aspekten ein Meinungsbild abgegeben. Wir haben geschaut, ob der gewünschte Fortschritt möglich ist, mussten aber feststellen, dass keine gesunde Basis für eine weitere gemeinsame Zusammenarbeit aller Parteien gegeben ist.

Woran haperte es noch?

Weissenbach Wir haben mit Oliver Gies und Huib den Boer (Zuspieler, d. Red.) zwei bundesligaerfahrene Spieler, die auch die Arbeit von Bernd (Werscheck, Aufstiegstrainer, d. Red.) geprägt und sich mit ihm abgestimmt haben. Es gibt Dinge, die wir mehr forcieren wollen. Die Feinjustierung, die wir im letzten Jahr hatten, konnte aber wegen unterschiedlichen Auffassungen nicht immer im gewünschten Maße stattfinden.

Wie geht es jetzt weiter?

Weissenbach Wir haben erfreulicherweise schon Anfragen bekommen, in kürzester Zeit drei, aus Österreich und Deutschland. Die werden wir intern diskutieren, jedoch keine Schnellschüsse machen.

Gies, den Boer und Justin Wolff fungieren als Trainertrio. Ihr Eindruck?

Weissenbach Die drei sind unsere Schwachstellen Aufschlag und Annahme gezielt angegangen. Eine weitere Baustelle war, dass uns die Lockerheit und Fokussierung verloren gegangen ist. Nach dem Spiel in Friedrichshafen (dem ersten nach van Solkema, d. Red.) hat der Geschäftsführer von Friedrichshafen bestätigt, dass unsere Jungs sich auf und neben dem Spielfeld bereits mit einer guten Körpersprache präsentiert haben. Darauf wollen wir aufbauen, und es war wichtig, mit Oskar Klingner, einen ganz wichtigen Spieler, nach seiner krankheitsbedingten Pause wieder zu integrieren.

Es ginge als auch ohne neuen Coach?

Weissenbach Den Erfahrungsschatz unserer Spieler konnten wir bisher nicht so wie gewollt ins Spiel hineinbringen. Das haben wir zur Kenntnis genommen. Was ich als positiv erachte: Das Trio hat sich zusammengesetzt und ein Konzept erstellt. Und wir haben dazu noch Felix Jülicher, der die Statistik ermittelt, wodurch wir valide Daten haben, die noch mehr eingebracht werden. Ob wir da noch einen Trainer ansiedeln, werden wir behutsam entscheiden.

Die aktuelle Besetzung könnte also die langfristige sein?

Weissenbach Justin wird nächstes Jahr in die A-Trainer-Ausbildung gehen, die Oli schon hat. Bei Borussia Mönchengladbach ist mit André Schubert auch mal eine Übergangslösung installiert worden, die inzwischen weit mehr ist. Wir müssen abwägen: Was bringt uns mehr - eine erfahrene Lösung oder eine junge, willige Variante? Wir bauen nicht auf Nichts auf, sondern auf relativ viel. Oli war zum Beispiel schon mehrere Jahre Spielertrainer in der Zweiten Liga in Rumeln. Huib kennt die Bundesliga seit über einem Jahrzehnt.

Die Entscheidung über die Trainersituation füllt vermutlich nicht Ihren ganzen Arbeitstag. Wie hat sich der Aufwand mit dem Aufstieg geändert?

Weissenbach Mit dem Sprung in die Bundesliga ist es gnadenlos mehr geworden. Wir sind viel mehr in den Medien, die Zahl der Gespräche hinsichtlich des Produkts Solingen Volleys hat extrem zugenommen, ebenso die Sponsorengespräche und die Maßnahmen mit den Sponsoren. Bei uns dreht sich viel um Etat und Geld, Öffentlichkeitsarbeit, Sponsoring und Event. Früher hat uns der Ursprungsverein TSG viele Sachen abgenommen an den Spieltagen und in der Vorbereitung darauf, dafür mussten wir nun neue Köpfe gewinnen. An einem Spieltag gibt es viele Dinge, wo man im Hintergrund aktiv sein muss.

Zum Beispiel?

Weissenbach Die Auflagen der Volleyball-Bundesliga nach dem Masterplan sind viel penibler. Jeder Schiedsrichter tickt anders und hat eigene Wünsche vor einem Spiel. Die Kamera-Übertragung muss geprüft und eventuelle Fehler in der Hardware und im Live-Stream müssen behoben werden. Und, und, und. Es gibt ständig Verbesserungspotenzial, und wir versuchen, immer den ,best way' zu haben. Was sich noch massiv verändert hat: Wir haben externe Spieler, die nicht mobil sind, aber zum Arzt, Physio oder Training müssen. Ich begleite einzelne Spieler im Rahmen einer dualen Karriere. Zum Beispiel zum Arbeitsamt, damit diese Spieler nicht einfach hier abgestellt werden. Es gibt viele Details für das alltägliche Leben zu berücksichtigen. Wir sind nicht nur mit der Bundesliga in eine neue Welt gezogen, sondern auch mit dem neugegründeten Verein. Da muss einiges organisiert werden - von den Ballkindern bis zu den Wischern bei den Spielen. Auch da muss das Zusammenspiel konzeptionell wachsen.

Stichwort "neue Welt" - können Sie diese denn halten?

Weissenbach Im März geht es in der Saison zur Sache, da müssen wir voll fokussiert sein. Die Play-offs haben ihren eigenen Charme. Da wird es darum gehen, dass man sich mit Mannschaften wie Rottenburg, Netzhoppers, Bühl und Herrsching noch mehr auf Augenhöhe befindet. Von Rottenburg und Netzhoppers sind wir nicht so weit weg.

Wird es einen Absteiger geben?

Weissenbach Offiziell gibt es einen Absteiger. Klar ist aber: Die erste Bundesliga hat zu wenig Teams in der Staffel. Eltmann aus der Südstaffel der Zweiten Liga hat einen Vor-Lizenzantrag gestellt. Ob das aus der anderen Nord-Staffel noch jemand mit dem Ziel eines Aufstiegs tut, müssen wir schauen. Die Liga ist auf jeden Fall immer froh, wenn sie Standorte mitentwickeln kann. Und unser Ziel ist es natürlich, den Standort Solingen weiter zu entwickeln und zu festigen.

GEORG AMEND FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(ame)
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