Solingen Stadt will Respekt für Brandanschlag-Opfer

Solingen · Der türkische Außenminister Çavusoglu wird nach Solingen kommen und zum 25. Jahrestag des Brandanschlags reden. Manche befürchten eine Instrumentalisierung der Trauerfeier und eine Spaltung der Türken in der Klingenstadt.

 Mevlüt Çavusoglu ist seit Ende 2015 türkischer Außenminister. Am 29. Mai kommt er in die Klingenstadt.

Mevlüt Çavusoglu ist seit Ende 2015 türkischer Außenminister. Am 29. Mai kommt er in die Klingenstadt.

Foto: AFP, mak (Archiv)

Es dürfte ein vielbeachteter Auftritt werden. Wie gestern bekannt wurde, wird der türkische Außenminister Mevlüt Çavusoglu am 29. Mai nach Solingen kommen, um an der zentralen Gedenkveranstaltung der Stadt zum 25. Jahrestag des Brandanschlags auf die Familie Genç teilzunehmen. Das bestätige jetzt auch eine Sprecherin der Stadt, die gleichzeitig ihre Hoffnung zu Ausdruck brachte, der oberste Diplomat der Türkei werde sich dem Anlass entsprechend diplomatisch verhalten.

Man gehe davon aus, "dass die türkische Regierung hohen Respekt vor der Familie Genç und den Opfern des Mordanschlages hat und das berücksichtigen wird", hieß es am Montag aus dem Rathaus. Der Hintergrund: Knapp vier Wochen nach dem 29. Mai finden in der Türkei Präsidentschaftswahlen statt. Was zur Folge hat, dass etliche Beobachter auch in Solingen eine Wahlkampfrede Çavusoglus befürchten.

Eine Sorge, die die Bundesregierung offensichtlich nicht teilt. So erklärte Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) gestern, das Gedenken an den Solinger Brandanschlag, dem 1993 fünf Menschen zum Opfer fielen, sei aus Berliner Sicht keine Wahlkampfveranstaltung. Und darum falle der geplante Auftritt Çavusoglus auch nicht unter das Wahlkampfverbot für ausländische Regierungsvertreter in der Bundesrepublik.

Bei der Stadt Solingen hatte sich der Besuch Çavusoglus schon seit einigen Tagen angekündigt. Wobei sich diese ersten Zeichen am Montag quasi zu einer Gewissheit verdichteten. "Der türkische Außenminister ist von der nordrhein-westfälischen Landesregierung anlässlich des 25. Jahrestages nach Düsseldorf zu einer Veranstaltung eingeladen worden", sagte die Rathaus-Sprecherin.

"Und da war es dann wohl eine Frage der praktischen Erwägung der türkischen Seite, den Minister auch in Solingen auftreten zu lassen", hieß es aus der Stadtverwaltung, die betonte, sich ihrerseits keineswegs "aktiv" um einen Besuch Çavusoglus in der Klingenstadt bemüht zu haben. Gleichwohl sei es bislang immer üblich gewesen, bei den Gedenkveranstaltungen zu Ehren der von vier Rechtsradikalen ermordeten Opfer einen Vertreter der türkischen Regierung in Solingen zu begrüßen.

Man werde die türkische Seite nun bitten, den Text der Ansprache, die der Außenminister halte, vorab übermittelt zu bekommen, teilte die Stadt am Montag mit. Diese hänge damit zusammen, dass man die Rede Mevlüt Çavusoglus ins Deutsche übersetzen wolle, um sie dann in Form einer Broschüre zusammen mit den weiteren Ansprachen bei der Gedenkfeier verteilen zu können.

In der Solinger Politik herrscht derweil die Hoffnung, dass die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des Brandanschlages nicht von innenpolitischen Auseinandersetzungen in der Türkei überschattet werden, sondern einen würdigen Rahmen der Erinnerung abgeben. "Ich gehe davon aus, dass der Außenminister keine Wahlkampfrede hält", sagte beispielsweise FDP-Fraktionschef Ulrich G. Müller, dessen Partei auf jeden Fall an der Gedenkveranstaltung teilnehmen wird. Was auch für die BfS gilt, deren Fraktionssprecher Heinz Bender überdies die Bedeutung des Tages für die Stadt unterstrich.

Der Solinger SPD-Chef und Landtagsabgeordnete Josef Neumann formulierte wiederum die Erwartung, dass von dem Auftritt des Außenministers in der Klingenstadt ein "Signal der Versöhnung" ausgehe. Und der CDU-Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt appellierte ebenfalls an die türkische Regierung, "in diesem Geiste aufzutreten". Die Stadt Solingen, so der Christdemokrat in einer Stellungnahme, habe "eine würdige, nachdenkliche Form des Gedenkens vorgesehen". Jürgen Hardt: "Für türkischen Wahlkampf ist am 29. Mai in Solingen kein Platz."

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte erst am Wochenende angekündigt, auch im Ausland Wahlkampf machen zu wollen. Frühere Auftritte türkischer Politiker in Deutschland waren auf teils scharfe Kritik gestoßen. In Solingen leben mehrere tausend Türken, die im Juni wahlberechtigt sind.

(or)
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