Solingen Tiefe Verbeugung vor Gerd Kaimer zum 90. Geburtstag
Solingen · Alt-Oberbürgermeister feierte im Kunstmuseum mit rund 150 Gästen den 90. Geburtstag.
Gerd Kaimer war auch der Mann mit dem Megaphon: 1990 bei einer Montagsdemonstration in Aue und drei Jahre später, als er nach dem Brandanschlag in Solingen auf der besetzten Kreuzung Schlagbaum sprach. "Du hast einen Teil deines Lebens im Schaufenster verbracht", ließ OB Tim Kurzbach gestern Szenen aus dem Leben Kaimers aufleben. Rund 150 Gäste waren in den Meistermannsaal des Kunstmuseums gekommen, um dem Alt-Oberbürgermeister auf Einladung von Stadt und SPD-Unterbezirk an seinem 90. Geburtstag Referenz zu erweisen. Sie begrüßten Kaimer mit lang anhaltendem Beifall im Stehen.
"Es waren keine einfachen, sondern eher magere Jahre", beschrieb Kurzbach die Amtszeit des Jubilars. Von 1984 bis 1997, in einer "Zeit der Transformation", hatte Gerd Kaimer das Ehrenamt als Oberbürgermeister inne. Der Pädagoge, der ab 1975 als Schulrat in Remscheid arbeitete, war zur "öffentlichen Person" geworden - und blieb es so lange wie kein anderer Solinger Oberbürgermeister nach dem Zweiten Weltkrieg. "Du bist unvergessen, bist eine Institution", bekräftigte Kurzbach. Kaimer habe Menschen Vertrauen sowie Zuversicht und der Stadt "ein sensibles Gesicht" sowie "eine Anteil nehmende Stimme" gegeben.
"Demokratie ist nichts anderes als das Verstehen des anderen", zitierte Josef Neumann, Landtagsmitglied und Unterbezirksvorsitzender, aus einem Text von Kaimer. Das Ringen um Verständigung habe stets das Handeln des 90-Jährigen bestimmt. Populär statt populistisch sei Kaimer gewesen. Der "Zeitzeuge und Mitgestalter" habe Gräben überwunden statt sie auszuheben. Neumann wie Kurzbach warnten, dass jetzt wieder die "Zeit der Grobschlächtigkeit und Aggression" gekommen sei. Kurzbach: "Wir brauchen eine neue Bewegung auch für Solingen."
Den Aufruf hörten viele, die in der Klingenstadt etwas zu sagen haben oder hatten. In die lange Schlange von Gästen, die Kaimer gratulierten, reihten sich neben Politikern und Nachfolgern sowie Weggefährten aus der Stadtverwaltung (wie dem früheren Oberstadtdirektor Dr. Ingolf Deubel) auch Unternehmer ein, einige davon Träger des Ehrenrings der Stadt. Mit dem Ring wurde vor 20 Jahren auch der Alt-Oberbürgermeister ausgezeichnet.
Es war nicht die einzige Auszeichnung in einem langen Leben. "Den ,Freeman of the Borough'-Preis / erhielt ich von der Twintown Blyth. Mir zu Ehren sangen Chöre, / ,Backworth'-Bässe und -Tenöre. /Freundschaft pflegt man halt mit Fleiß!", hatte "Gerd, der Ehrenbürger", 1998 gedichtet.
Die Gäste von gestern können den Limerick und viele andere nachlesen: Sie erhielten einen extra zum Geburtstag aufgelegten Band mit Kaimer-Gedichten von 1997 bis 2011. Er ist nicht im Handel erhältlich, liegt aber in der Stadtbücherei aus. Stadtarchiv-Leiter Ralf Rogge, der das Buch redigierte, arbeitet außerdem mit Kaimer an dessen Biographie.
Und die "Chöre" zu Ehren des Jubilars gab es natürlich auch: Das "Happy Birthday to you, Gerd Kaimer" und andere Lieder kamen von der Sängerjugend unter Leitung von Ingrid Goethe-Fliersbach.