Solingen Tradition geht durch den Magen

Solingen · Die Bergische Kaffeetafel gehört in der Region zum Kulturgut und ist bei Einheimischen wie Ausflüglern weiterhin beliebt.

Kaum hat der Besucher den mit Holz verkleideten Gastraum betreten, fällt sein Blick auf das imposante Schmuckstück auf dem Tresen. Die "Dröppelmina", die bauchige Kaffeekanne aus Zinn, aus der der Kaffee mitunter mehr tröpfelt als fließt, lässt den Betrachter an "Wilhelmina", die zupackende Herrin der Küche, denken - auch weil ihre beiden Griffe wie in die Hüfte gestemmte Arme anmuten.

In der Gaststätte Rüdenstein ist das historische Gefäß mehr als nur anheimelnde Dekoration. "Die Kanne ist voll funktionsfähig und kommt bei uns zum Einsatz, wenn wir größere Gesellschaften zu Gast haben", erzählt Petra Meis-Wachauf, Inhaberin des idyllisch an der Wupper gelegenen Traditionsbetriebes. Der bietet die Bergische Kaffeetafel an den Öffnungstagen an - von mittwochs bis samstags (11 bis 18 Uhr) sowie an Sonn- und Feiertagen.

Ob als Ersatz für eine normale Mahlzeit, Geburtstagsessen, zu anderen familiären Anlässen oder zur Stärkung vor oder nach einer Wanderung durch das Bergische Land - "Koffiedrenken met allem dröm on dran" steht sowohl bei Einheimischen als auch Zugereisten weiter hoch im Kurs.

Die beliebte Mischung aus Süßem und Herzhaftem mit verschiedenen Sorten von hellem und dunklem Brot, Aufschnitt, Käse, Quark, Apfelkraut, Reisbrei sowie Waffeln mit Kirschen und Sahne entwickelte sich in der Region erst allmählich. Im frühen 20. Jahrhundert setzte sich die üppige Kaffeetafel im Programm vieler Ausflugslokale durch - die einfache Bevölkerung hatte sich eine derartige Vielfalt auf dem Tisch lange nicht leisten können und begnügte sich mit Brot und Butter. Bevor sich die Waffeln an den Kaffeetischen der Region durchsetzten, "zoppten" die Einwohner bergischen Zwieback in ihren Kaffee oder dessen Ersatzgetränk Muckefuck. Den Abschluss bildet für manche Genießer bis heute ein Korn.

Tradition hat im Bergischen Land der nur kurz aufgekochte Reisbrei: "Damit bin ich aufgewachsen", erinnert sich Petra Meis-Wachauf. Die "Dröppelmina", gewissermaßen das "Wahrzeichen" der Kaffeetafel, war vermutlich im 18. Jahrhundert aus dem Fernen Osten über die Niederlande ins Bergische Land gelangt. In ihrem Bauch wurde der Kaffee zunächst hauptsächlich in wohlhabenden Häusern mit kochendem Wasser aufgebrüht. In der Gaststätte Rüdenstein ist sie nicht immer zwingend mit von der Partie. "Das hängt von den Wünschen der Gäste ab. Alternativ nutzen wir auch Porzellankannen", sagt die Gastronomin. Angeboten wird die Bergische Kaffeetafel heute in einer Vielzahl an Gaststätten der gesamten Region, vom Bergischen Städtedreieck bis tief in den Oberbergischen Kreis hinein.

Die Reihenfolge, in der die Gäste die Speisen der Bergischen Kaffeetafel zu sich nehmen, spielt übrigens keine Rolle. "Jeder soll beginnen, wie er mag", sagt Meis-Wachauf. Denn schließlich kommt ja alles gleichzeitig auf den Tisch. Und der soll nicht leer werden, bevor alle Gäste satt sind.

(ied)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort