Serie 24 Stunden - 24 Menschen Von der Filmrolle zur Festplatte

Solingen · Markus Gronostay begann im Cinemaxx Solingen als Filmvorführer. Als das Kino 2009 auf digitale Vorführtechnik umstellte, veränderte sich auch sein Berufsalltag, viele neue Aufgaben kamen hinzu. Eins ist geblieben: die Begeisterung für Technik.

Markus Gronostay kennt sie noch, die analoge Zeit des Kinos. Sie liegt noch gar nicht so lange zurück, wie man beim Begriff "analog" vielleicht denken würde. Im Jahr 2009 stellte das CinemaxX Solingen als eins der ersten Kinos in Deutschland seine Vorführtechnik auf das digitale Verfahren um. An die Stelle der Filmrolle trat die Festplatte. Und mit der Filmrolle verschwand der Beruf des Filmvorführers, den es seit Erfindung des Kinos Ende des 19. Jahrhunderts gegeben hatte. So kommt es, dass Markus Gronostay um 20 Uhr nicht im Vorführraum einen Film startet, sondern in seinem Büro über dem Kinofoyer am Rechner sitzt.

Der 48-jährige Gronostay kam während des Chemie-Studiums zu seinem späteren Beruf als Filmvorführer. "Die Filme mussten aus mehreren Teilen zusammengeklebt werden", erinnert er sich. Eine komplette Filmrolle wäre für den Transport viel zu groß gewesen. Ein 90-Minüter brachte es auf etwa vier Kilometer Filmstreifen, bei einem überlangen Film wie Titanic waren es satte acht Kilometer. Pünktlich zur Vorführung mussten die Filme eingelegt und der Projektor gestartet werden. "Während der Vorführungen war man zwischen den Sälen unterwegs, um zu kontrollieren, dass alles glatt läuft." Markus Gronostay blieb auch nach dem Studium beim Kino und ist seit 15 Jahren beim CinemaxX Solingen beschäftigt - erst als Filmvorführer und später als Technischer Leiter.

Mit der Digitalisierung wandelte sich Gronostays Berufsbild. Noch immer ist er dafür zuständig, dass eine Vorstellung pünktlich beginnt, der richtige Film läuft und Bild und Ton in bester Qualität die Besucher in den Bann ziehen - nur, dass das meiste davon am Computer geschieht. Soll ein neuer Film ins Programm genommen werden, trifft dieser auf einer kleinen Festplatte im Cinemaxx ein. Markus Gronostay kopiert die Filmdatei auf den zentralen Server und überspielt sie anschließend auf den Speicher des Filmprojektors für den Saal, wo der Film laufen soll. Damit der Film abgespielt werden kann, kommt vom Verleiher noch eine Datei zur Entschlüsselung dazu. Fast alles andere läuft automatisiert, die Planung für alle Säle legt Markus Gronostay für die Kinowoche im Voraus am Computer an: Das Dimmen des Saallichts, der Start des Projektors und das Abspielen der Vorschauen und des Hauptfilms geschehen von allein. "Es ist sehr viel EDV heute", sagt Gronostay.

Gronostay ist heute ein "Manager on Duty", kümmert sich also um die Abläufe: Er rechnet bei Schließung die Kassen ab, arbeitet neue Mitarbeiter ein, etwa an der Popcorn-Maschine. Oder er erklärt aufgebrachten Eltern, warum die Altersfreigabe eines Films für Kinder rechtlich bindend ist. Wenn viel Andrang ist, hilft er in der Gastronomie mit aus. "Nebenbei" ist Markus Gronostay als Außendiensttechniker in den Geschwisterkinos in Düren, Lünen, Mülheim und Osnabrück unterwegs. "Während die anderen sich früher den Film angeschaut haben, habe ich mir den Projektor angeguckt, um ihn reparieren zu können", berichtet er mit spürbarer Technik-Begeisterung. "Aber man muss dranbleiben und sich ständig weiterbilden, wenn man einen 60 000 Euro teuren Projektor auseinandernimmt." Aber natürlich mag Gronostay auch selbst Filme, vor allem Fantasy, wie Herr der Ringe oder Harry Potter.

In den Vorführräumen oberhalb der Kinosäle ist es indes dunkel und menschenleer. Während die Lüfter der 2000 bis 6000 Watt starken Projektoren rauschen, ist durch ein Fensterchen die Leinwand zu sehen. "Ted", "Minions" und "Terminator" laufen an diesem Abend in den verschiedenen Sälen. Die alten analogen Projektoren wurden erst wenige Tage zuvor abgeholt, ihr Standort ist noch gut zu erkennen und Kabel liegen herum.

Verwaist ist auch die "Zentrale Projektion", ein schwarz gestrichener, schlauchartiger Raum oberhalb der Kinos 5 und 6. "Früher saßen hier donnerstags bei der ersten Vorstellung die Filmvorführer und kontrollierten an kleinen Bildschirmen, ob sie die Filme ordentlich zusammengeklebt hatten", erklärt Markus Gronostay. Heute ist hier sein Ersatzteillager. An der Wand hängen alte Filmplakate, "Coyote Ugly" oder "Mr. & Mrs. Smith".

"Ein bisschen bedauert man den Wandel schon, es hat ein bisschen an Charme eingebüßt", sagt er. "Aber es ist auch heute kein langweiliger Job." Man glaubt es ihm aufs Wort.

(bjd)
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