Solingen Wachdienste: Verdi attackiert die Stadt

Solingen · Nach Bekanntwerden des mutmaßlichen Bestechungsfalls im Ordnungsamt ist eine Diskussion um die Kontrolle von städtischen Vertragspartnern entbrannt. Gewerkschafter fordern mehr Anstrengungen der Stadt, diese widerspricht.

Der Skandal um einen möglichen Bestechungsfall im Solinger Ordnungsamt zieht weitere Kreise. Nachdem Anfang dieser Woche ein leitender Beamter des Amtes vom Dienst suspendiert wurde, weil er einem befreundeten Security-Unternehmer Aufträge zur Überwachung städtischer Flüchtlingsunterkünfte zugeschanzt haben sowie selbst Gesellschafter der betroffenen Firma gewesen sein soll, hat sich gestern auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in die Diskussion eingeschaltet und der Stadt Solingen Versäumnisse bei der Kontrolle solcher Wachdienste vorgeworfen.

"Die Vergabe eines Auftrages bedeutet nicht, dass damit automatisch die Verantwortung abgegeben wird", sagte der bei Verdi NRW für die Wach- und Sicherheitsbranche zuständige Gewerkschaftssekretär Özay Tarim im Gespräch mit unserer Redaktion. So sei es beispielsweise vollkommen inakzeptabel, dass die Verwaltung die Einhaltung tariflicher Mindeststandards wie etwa die Bezahlung nach dem gültigen Stunden-Mindestlohn von derzeit 9,70 Euro nicht umfassend kontrolliere, kritisierte Gewerkschaftler Tarim.

Ein Vorwurf, den die Stadt zurückweist. "Wir lassen uns schriftlich bestätigen, dass die tarifrechtlichen Vorgaben eingehalten werden", betonte eine Rathaus-Sprecherin am Donnerstag auf Nachfrage. Allerdings seien darüber hinaus gehende Kontrollen juristisch kaum möglich. "Die Stadt muss zunächst einmal das glauben, was ihr versichert wird. Überprüfen können wir das nur selten", sagte die Sprecherin.

Der Hintergrund: Zwar ist die Stadt theoretisch befugt, die Unterlagen ihrer zurzeit rund zehn Vertragspartner aus der Sicherheitsbranche einzusehen - und gegebenenfalls Vertragsstrafen in Höhe von bis zu fünf Prozent der Auftragssumme zu verhängen. Gleichwohl sind einer solchen Kontrolle enge Grenzen gesetzt, da die verantwortlichen Stellen der Verwaltung nur Zugriff auf jene Papiere haben, die ausschließlich die vertraglichen Verbindungen der Stadt Solingen mit der jeweiligen Firma zum Gegenstand haben, wie die Rathaus-Sprecherin erläuterte. Und damit greift die Kontrolle faktisch nicht, besitzen die allermeisten Wachleute mit ihren Arbeitgebern doch keine spezifisch auf ihre Tätigkeit in der Klingenstadt bezogenen Arbeitskontrakte.

Dabei ist aber selbst in einem solchen, eher unwahrscheinlichen Fall nichts gewonnen. Denn die Stadt müsste danach eine beim Land angesiedelte Kontrollbehörde einschalten, die sich nach Auskunft aus dem Solinger Rathaus augenblicklich personell noch im Aufbau befindet.

Tatsächlich ist in Bezug auf die von den Bestechungsvorwürfen betroffene Firma einstweilen weiter unsicher, inwieweit sich das Unternehmen bei der Bezahlung an geltendes Recht gehalten hat. Dies sei Gegenstand der Untersuchungen, hieß es dazu aus dem Rathaus, wo nicht bekannt ist, ob das Unternehmen, das inzwischen nicht mehr für die Stadt Solingen arbeitet, Mitglied im Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) als Arbeitgeberorganisation ist.

Dies ist jedoch für die Entlohnung der Wachleute auch unerheblich. Denn laut Weisung des NRW-Arbeitsministeriums sind alle Sicherheitsfirmen - unabhängig von einer Zugehörigkeit zum Arbeitgeberverband - verpflichtet, den 2015 zwischen dem BDSW sowie Verdi ausgehandelten Stundenlohn von eben 9,70 Euro zu bezahlen.

Das unterstrichen gestern sowohl die Stadt als auch die Gewerkschaft Verdi. Allein der Modus Operandi der Kontrolle bleibt umstritten. Während das Rathaus darauf verwies, man könne allein aktiv werden, wenn ein Wachmann sich über seinen Lohn beschwere und Lohnnachweise vorbringe, beharrte Verdi auf der Verantwortung von Kommunen in der Sache.

Derweil gehen die Ermittlungen gegen die unter Bestechungsverdacht stehende Wuppertaler Wachfirma weiter. Mit schnellen Ergebnissen ist indes kaum zu rechnen. "Die Sichtung der beschlagnahmten Beweismittel wird sicherlich noch einige Wochen in Anspruch nehmen", hieß es vonseiten der Staatsanwaltschaft.

(or)
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