Solingen WebID Solutions: 300 neue Arbeitsplätze

Solingen · Der Solinger Spezialist für Personen-Identifizierung per Videochat profitiert von Anti-Terror-Gesetzen: SIM-Karten für Prepaid-Handys bekommt nur noch, wer seinen Ausweis zeigt. Das Unternehmen hat ein eigenes Verfahren entwickelt.

Der Schock saß tief nach den Terroranschlägen in Brüssel und Paris. Er wurde nicht kleiner, als bekannt wurde, wie leicht die Terroristen ihre Anonymität wahren konnten: Sie benutzten Prepaid-Handys mit SIM-Karten von T-Mobile, die man in Ungarn gekauft hatte - 200.000 Stück auf den Namen eines Obdachlosen. Auch in Deutschland reichte es seit 2004, irgendeinen Namen anzugeben. Einen Ausweis oder Pass wollte niemand sehen.

Das ändert sich Mitte des Jahres: Am 1. Juli tritt als Teil eines Gesetzes zur besseren Terrorismusbekämpfung eine Änderung des Telekommunikationsgesetzes in Kraft. Dann gilt auch für den Prepaid-Bereich eine Registrierungspflicht mit Identitätskontrolle.

Das stellt die Branche vor große Herausforderungen, bringt der WebID Solutions GmbH aber weiteres Wachstum: Rund 300 neue Arbeitsplätze wollen die geschäftsführenden Gesellschafter Thomas Fürst und Frank Jorga in Ohligs schaffen, gestützt auf ihren Erfolg als Dienstleister im Finanzsektor.

Dort ist die GmbH nach eigenen Angaben Marktführer bei der Registrierung von Kunden per Videochat in einem rund vierminütigen Gespräch, das strengen Regeln unterliegt. Fürst: "Wir haben das Verfahren erfunden, durchdacht und als erstes Unternehmen genehmigt bekommen. Inzwischen haben wir mehr als 100 Banken unter Vertrag."

Die neue Aufgabe ist ähnlich vielversprechend. "Vier der größten Telekommunikations-Unternehmen haben sich bereits fest für uns entschieden", berichtet Thomas Fürst von der bevorstehenden Vertragsunterzeichnung. "Das Prepaid-System ist in den vergangenen fünf bis zehn Jahren explosionsartig gewachsen. Man spricht von 35 Millionen Transaktionen pro Jahr. Die neue Regelung kam auch für die Netzwerkbetreiber relativ überraschend. Kein anderer Dienstleister außer WebID Solutions kann diese Stückzahlen überhaupt abarbeiten."

Als Partner der Banken wickelt WebID zurzeit monatlich Registrierungen "im sechsstelligen Bereich" ab etwa bei Kontoeröffnungen oder Kreditkarten-Anträgen, für die kein Kunde mit Internet-Anschluss und Web-Kamera mehr seine Wohnung verlassen muss. Begonnen hatte alles bescheidener: Nach dem Start im Jahr 2012 und nachdem alles mit den Aufsichtsbehörden geklärt war, wurde WebID im März 2014 auf 250 Quadratmeter an der Florastraße in Solingen-Mitte aktiv. "Die haben schon einige Monate später nicht mehr gereicht", blickt Thomas Fürst zurück.

Es folgte der Umzug an die Kieler Straße in Ohligs, wo 2000 Quadratmeter zur Verfügung stehen und 140 Beschäftigte auf die neuen Kollegen warten. Die Arbeitsplätze in der dritten Etage des Bürogebäudes sind vorbereitet. Das vierte und fünfte Geschoss werden schon länger genutzt.

Der Umsatz stieg von 1,9 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 5,5 Millionen Euro im vergangenen Jahr, Geschäfte in der Schweiz und in Österreich eingerechnet. "Ab März 2016 war das Unternehmen profitabel", sagt der geschäftsführende Gesellschafter mit Blick auf einen Gewinn "im niedrigen siebenstelligen Bereich".

2017 könnte der Umsatz bereits jenseits der Zehn-Millionen-Euro-Marke liegen. Weil das Unternehmen sein Geschäftsmodell aber in die Welt tragen und investieren will, gibt es zum möglichen Ertrag noch keine Prognose.

Nächster Schritt ist die Eröffnung einer Niederlassung in Frankfurt im Frühjahr; international haben Fürst und Jorga Asien und Nordamerika im Blick. Wegen der Nähe zu den Politikern residiert WebID Solutions in Berlin. Der operative Hauptstandort ist aber Solingen, wo die Familie von Thomas Fürst früher eine Besteckfabrik betrieb. Wegen der Nähe zum Haupt- und Busbahnhof verspricht Fürst sich Bewerbungen aus der Region von Bonn bis Duisburg.

Neue Mitarbeiter aus Solingen sind ebenfalls gerne gesehen. Fürst: "Wir hoffen auch auf die Hilfe von Oberbürgermeister Tim Kurzbach." Bewerber müssen einen Schulabschluss nachweisen, die deutsche Sprache beherrschen, Englisch- und PC-Kenntnisse sowie ein eintragsfreies polizeiliches Führungszeugnis haben und "Sorgfalt sowie Detailverliebtheit" beweisen. Die Arbeitszeit liegt im Regelfall zwischen 7 und 24 Uhr. Thomas Fürst: "Einzelne Institute wünschen sich sogar eine Betreuung ihrer Kunden rund um die Uhr."

(flm)
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