Solingen Weißer Ring sucht nach Verstärkung

Solingen · Allein in diesem Jahr hat der Weiße Ring 26 Menschen geholfen, die Opfer eines Verbrechens wurden. Im vergangenen Jahr waren es 50. Um das Angebot künftig aufrecht erhalten zu können, ist der Verein auf weitere Helfer angewiesen.

 Bernd Steinbach (v.l.), Wilma Kindervater, Gisela Thoms, Harry Schulz und Hildegart Hergeth-Steinbach grillen beim Sommerfest des Weißen Rings.

Bernd Steinbach (v.l.), Wilma Kindervater, Gisela Thoms, Harry Schulz und Hildegart Hergeth-Steinbach grillen beim Sommerfest des Weißen Rings.

Foto: mak

Hildegart Hergeth-Steinbach hört den Opfern von Vergewaltigungen zu, spricht Frauen, die von ihrem Mann verprügelt werden Mut zu und ist eine Stütze für diejenigen, die nach einem Raubüberfall immer und immer wieder an die Tat denken müssen. Zehn bis 15 Stunden pro Woche investiert die Solingerin in die Arbeit für den Weißen Ring, für Fortbildungen, Betreuungen - und Bratwürste.

Beim Sommerfest des Weißen Rings ging es mal nicht um Gewalttaten und Verbrechen, sondern darum, abzuschalten und zu plaudern. Der Alltag kehrt früh genug zurück. Denn allein in diesem Jahr hat der Weiße Ring bereits 26 Opfer betreut, im vergangenen Jahr waren es insgesamt 50. Neun Mal wandten sich Menschen in diesem Jahr nach einer Körperverletzung an die Organisation, sechs Mal nach einem Sexualdelikt, vier Mal nach häuslicher Gewalt. Auch Opfer von Einbrüchen und Stalking werden betreut. In Gesprächen versuchen die ehrenamtlichen Helfer eine Stütze für die Opfer einer Straftat zu sein, ihnen dabei zu helfen, die Gedanken zu ordnen und ins Leben zurückzufinden.

"Wir sind keine Psychologen und keine Therapeuten", sagt Hildegard Hergeth-Steinbach, Leiterin der Solinger Außenstelle beim Sommerfest des Vereins: "Aber wir sind für Menschen da, wenn sie uns brauchen". Seit 1985 existiert die Außenstelle. Gegründet wurde sie damals von Hergeth-Steinbachs Vater, einem Polizisten.

Tagtäglich werden Polizisten in Deutschland mit Verbrechen und Gewalt konfrontiert. Sie verhaften, verhören und schreiben Anzeigen. Den Opfern können sie jedoch nur begrenzt helfen. Viele Polizisten unterstützen daher den Weißen Ring, der diese Lücke füllt. Seine Mitglieder helfen durch menschliche Zuwendung und teilweise auch durch materielle Hilfen, wie etwa Rechtsschutz für den anwaltlichen Beistand in einem Strafverfahren. "Wir können manchmal Prozesse auch beschleunigen", sagt Harry Schulz, hauptamtlich Bezirkspolizist: "Der Weiße Ring öffnet Türen, die sonst verschlossen bleiben würden."

Wie lange die Hilfe dauert, entscheiden die Opfer selbst - genauso wie bei der Frage, ob und wann sie Kontakt mit der Organisation aufnehmen. Hildegarth Hergeth-Steinbach erinnert sich noch gut an die Frau, die sich nach einem Missbrauch an sie gewandt hat. Sie wollte keine psychologische Hilfe in Anspruch nehmen, doch die Erinnerungen an das Verbrechen ließen sie nicht los. 15 Jahre lang meldete sie sich immer wieder bei Hildegarth Hergeth-Steinbach - und die hörte zu. "Irgendwann rief sie mich an und sagte, sie wolle jetzt doch eine Therapie machen", sagt die Leiterin der Solinger Außenstelle, die deutlich macht: "Wir helfen solange es nötig ist".

Um diesen Einsatz auch zukünftig bringen zu können, ist der Weiße Ring jedoch auf "Nachwuchs" angewiesen. Acht Aktive gibt es momentan in der Solinger Außenstelle, weil viele Fälle zu zweit bearbeitet werden, bräuchte es eigentlich zehn bis zwölf Personen. "Wie viel Zeit man investiert, kann jeder frei entscheiden", sagt Hildegart Hergeth Steinbach: "Das können zehn Stunden sein oder eine." Und eine Bratwurst beim nächsten Sommerfest gibt es dann auch.

(RP)
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