Analyse Wenn das Undenkbare doch zur Realität wird

Solingen · Mit Beharrungsvermögen hat es die Stadt geschafft, den neuen Anlauf zum Welterbe zu starten. Daran sollten sich die Verantwortlichen bei vielen anderen Problemen ein Beispiel nehmen. Vor ein paar Jahren hätte nämlich niemand auf die Brücke gewettet.

Als gestern Vormittag der Fachkongress "Brücken im UNESCO-Welterbe" im Haus Müngsten eröffnet wurde, da warf der Eigentümer des bergischen Wahrzeichens einen Blick ziemlich weit zurück in die Vergangenheit der Müngstener Brücke. In den 70er Jahren, so Peter Alsbach von der Bahn-Tochter DB Netze, habe es im Konzern sogar einmal Blaupausen für einen Beton-Neubau zwischen Solingen und Remscheid gegeben.

Wobei der Bahn-Vertreter geflissentlich zu erwähnen vergaß, dass eben solche Pläne vor gar nicht allzu langer Zeit eine Renaissance hatten. Denn als um das Jahr 2010 herum herauskam, wie sanierungsbedürftig das Bauwerk mittlerweile war, da wurden von der Bahn erneut ein Abriss sowie ein Neubau aus Beton ins Spiel gebracht.

Nun soll es hier nicht darum gehen, alte Geschichten aufzuwärmen - zumal die Bahn später 30 Millionen Euro für die Brücke in die Hand nahm und die Instandsetzung 2018 abgeschlossen sein wird. Doch gleichzeitig ist es manchmal durchaus wichtig, daran zu erinnern, wie noch vor wenigen Jahren manche Dinge diskutiert wurden.

Was uns zurückführt in die Gegenwart. In der Tat ist es dem Team der Stadt um Carsten Zimmermann und anderen nicht hoch genug anzurechnen, mit welcher Beharrlichkeit das Ziel einer erneuten Bewerbung zum Weltkulturerbe verfolgt wurde, sodass jetzt unter einer in neuem Glanze erstrahlenden Brücke ein internationaler Kongress stattfindet. Denn auch das gehört zur Wahrheit: Gerade zu Beginn hatte es immer wieder skeptische Stimmen gegeben, die alle Anstrengungen für sinnlos hielten.

Dabei unterlagen all diese Kritiker, wenn man so will, einem grundsätzlichen Irrtum. Ob es am Ende etwas wird mit dem Weltkulturerbe, ist nämlich in Wirklichkeit nicht so entscheidend. Vielmehr kommt es darauf an, dass die Region nun mit der Brücke über Jahre hinweg werben kann. Schließlich ist es - unabhängig von der Entscheidung der UNESCO, die nicht vor 2020, eher entschieden später getroffen wird - allein schon ein Pfund, fortan in regelmäßigen Abständen in den Schlagzeilen zu sein.

Gleichzeitig sollte der Bewerbungsmarathon, der zu erwarten ist, in seiner Wirkung nicht überschätzt werden. Gewiss geht es darum, Solingen und das Bergische ein bisschen sichtbarer als heute auf die touristische Landkarte zu setzen. Und weiter ist es sicher so, dass Kontakte in ganz Europa geknüpft werden können, die nicht nur in Sachen Welterbe Türen öffnen.

Aber dies reicht natürlich bei weitem nicht aus, um die Stadt und die Region zukunftsfähig zu machen. Egal ob Haushalt, Klinikum, Bildung, Verkehr - vor Solingen liegen in den kommenden Jahren richtungsweisende Entscheidungen, die allesamt Härten mit sich bringen werden. Die echten Marathon-Läufe für die Verantwortlichen in der Stadt werden darin bestehen, in manchen Bereichen auch mal das scheinbar Undenkbare zu denken. Denn ehrlich: Vor wenigen Jahren hätte ja auch niemand darauf gewettet, dass 2017 unter der Müngstener Brücke eine internationale Tagung zur Zukunft des bergischen Wahrzeichens Platz finden würde.

(or)
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