Solingen Wenn die heitere Fassade bröckelt

Solingen · Spritzig und voller Tempo bringt das Ensemble Profan Brechts "Trommeln in der Nacht" auf die Studiobühne.

Bereits bevor das Stück begann, konnten sich die Zuschauer vor der Studiobühne des Solinger Theaters einstimmen auf das, was da kommen würde. Auf dem schwarzen Vorhangstoff war die Aufforderung zu lesen: Glotzt nicht so romantisch ! Sie stammt von Berthold Brecht, dem Autor des Stücks "Trommeln in der Nacht", mit dem das Ensemble Profan jetzt Premiere feierte.

Mit Einsatz und Spielfreude brachten die Schauspieler das bittere, tragische, anklagende, aber auch humorvolle Stück auf die Bühne. Mal mit überspitzter, mal mit stark minimierter Gestik. Da wartet Anna (Dajana Berkenkopf) seit vier Jahren auf die Rückkehr ihres Geliebten Andreas (André) Kragler, der als Artillerist in den Ersten Weltkrieg gezogen war. Als nach vier Jahren noch immer kein Lebenszeichen von ihm angekommen ist, drängen ihre Eltern sie zur Verlobung mit Friedrich Murk, einem Fabrikanten, den der Krieg reich gemacht hat. "Er ist begraben und verfault, von Bomben zerfetzt, sieht nicht mehr gut aus, hat keine Nase mehr", versucht Vater Karl, wunderbar mürrisch und boshaft verkörpert von Markus Henning, der hübschen Anna ihre Jugendliebe abspenstig zu machen. Was die Eltern nicht wissen: Anna hat längst ein Techtelmechtel mit Friedrich Murk angefangen und ist sogar schwanger von ihm.

Als Murk - mit viel Mut zur Hässlichkeit gespielt von Uwe Dahlhaus - das erste Mal die Bühne betritt, erntet er mit seinem geckenhaften, pomadigen Äußeren spontane Lacher und Beifall. Dahlhaus verkörpert den Aufschneider und Emporkömmling dermaßen glaubhaft, dessen ganze Oberflächlichkeit von der sich immer wiederholenden Geste des Haarezurückstreichens symbolisiert wird.

Völlig überdreht reagiert die Mutter - großartig hier Renate Kemperdicks Lachanfall nach der Verkündung der Verlobung, der sich schnell aufs Publikum übertrug. Sie hat eigentlich keine eigene Meinung, sondern agiert nur nach dem Willen ihres Mannes.

Doch dann passiert die Katastrophe, versinnbildlicht durch einen blutroten Mond, der bedrohlich über der Bühne im Nichts hängt: Am Tag der Verlobung kehrt Kragler (Alexander Riedel) aus der Kriegsgefangenschaft zurück und sprengt mit seinem bloßen Erscheinen die Verlobungsfeier im vornehmsten Restaurant, während draußen in den "Zeitungsvierteln" die Aufstände toben. Schnell wird nun die heitere Fassade durchbrochen und der Kriegsrückkehrer von Annas Eltern und Murk aufs Übelste verspottet und beschimpft. Der zurückgekehrte Held, der für sein Vaterland die schlimmsten Qualen ertragen hat, wird von den Kriegsgewinnlern als Störfaktor empfunden.

Fremde sind es - ein Journalist, eine Besucherin und der Ober - die Partei für André ergreifen. "Ihr schlagt ihm die Zähne aus, und er spuckt sie euch ins Gesicht", ruft der Journalist. André schließt sich zunächst den Aufständischen an, bevor er sich am Ende für die Liebe entscheidet.

"Trommeln in der Nacht" erzeugt heute sicher nicht mehr die kontroversen Diskussionen, die es nach der Aufführung 1922 auslöste. Doch hat das Ensemble Profan unter der erfahrenen Regie von Michael Tesch mit ausdrucksstarkem Spiel, stimmungsvollem Bühnenbild und überspitzten Kostümen Brechts Gesellschaftskritik beeindruckend umgesetzt und damit sicher das Publikum zum Nachdenken gebracht.

(sue)
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