Solingen Zwischen rheinischer Fröhlichkeit und römischer Tragik

Solingen · Saisonauftakt: Im 1. Philharmonischen Konzert beeindruckt Serge Zimmermann im selten zu hörenden Violinkonzert von Paul Hindemith.

Familie Schumann macht drei Kreuze: endlich weg. "Wir werden um keinen Preis in Dresden bleiben. Wir langweilen uns entsetzlich", schreibt Clara. Im Herbst 1850 übersiedelt Robert mit den seinen als neuer Musikdirektor nach Düsseldorf. Von der Begeisterung getragen, schreibt er in nur zwei Monaten seine 3. Symphonie Es-Dur: "Die Rheinische". Dieses Werk bildete den rauschenden Abschluss des 1. Philharmonischen Konzerts der Bergischen Symphoniker unter Leitung von Generalmusikdirektor Peter Kuhn im Konzertsaal.

Schon mit dem wie aus dem Nichts hervorbrechenden 1. Satz gestalteten die Musiker Lebensfreude pur. Kuhn und das Orchester betonen die vorantreibenden Aufschwünge als lebendigen Fluss - besonders apart die romantische Farbe der Hornpassagen nicht nur in diesem Satz - mit Tiefe ohne Schwere. Zwischen Idylle und unbeschwertem Ländler wird das Scherzo angelegt. Sanft dahinfließend wie der Rhein in einer Mondnacht zieht der langsame Satz vorbei.

Buchstäblich ernst lassen es die Symphoniker mit dem "feierlichen" Satz werden, dessen mit einem Tuttischlag beginnender Bläserchoral den Kölner Dom vor dem inneren Auge entstehen lässt. Fröhlich dahintreibend führen die Musiker mit dem Finale wieder in die unbeschwerte Welt des 1. Satzes zurück.

Oft wurde dem Pianisten Schumann eine schwerfällige Instrumentierung vorgeworfen. Mit ihrem ebenso durchsichtigen wie farbenfrohen Spiel beweist das Orchester das Gegenteil. So heiter das Konzert ausklingt, so tragisch fängt es an: mit Beethovens Coriolan-Ouvertüre. Die effektvoll in Szene gesetzte Einleitung mit dem liegenden Ton in tiefer Streicherlage und wuchtig unterbrechenden Orchesterschlägen lässt nichts Gutes ahnen über das Schicksal des römischen Feldherrn. Besonders die fein gestaltete Dynamik und die klangliche Wucht geben diesem doch so bekannten Werk eine ganz neue Frische. So wirken die lichten Passagen umso eindringlicher, bevor sie wieder ins unvermeidlich Düstere und schließlich verebbende führen: ein Drama in Kurzfassung. Im Mittelpunkt des Abends steht aber ein besonderes Stück: das 1939 entstandene Violinkonzert von Paul Hindemith. Selten gespielt, ist es ein Geheimtipp. Im Zentrum dabei: der 1991 in Köln geborene Geiger Serge Zimmermann, der mit unaufgeregter Virtuosität und gestalterischer Ausdruckskraft diesem ungewöhnlichen Konzert seinen markanten Stempel aufdrückt.

Im ersten Satz stellen die Musiker Entwicklungen und Gegensätze plastisch dar. Ein Paukenwirbel leitet ein, bevor die Solovioline anhebt. Treffsicher erfassen die Symphoniker den typischen Ton Hindemiths in der Behandlung der Holzbläser. Diese halten in hervorragender Weise mit dem Geiger Zwiesprache in kammermusikalischer Manier. Zimmermann gestaltet beeindruckend das Jagen auf den Saiten, bevor er sein Instrument in der nächsten Passage buchstäblich in höchsten Tönen und ohne alle Schärfe zum Singen bringt. Der langsame Satz beginnt mit einer fein von den Holzbläsern gewebten Melodik. Der in manchen Abschnitten delikate Stil trägt den Solisten. Etwa wenn er über den sanft genommenen Pizzicati der Streicher ein fast arabeskes Solospiel haucht.

Bravourös solistischer Höhepunkt: die Kadenz im Finale. Zweistimmig spielend und die Linien mit Akkorden begleitend, hat man den Eindruck, dass Zimmermann Solist und Orchester in einem ist. Glänzen können hier die Blechbläser mit dem gewaltig auftrumpfenden Thema mit dem markanten Intervallfall, der diesen furios genommenen Satz gliedert.

(crm)
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