Tönisvorst Das Feuer der Begeisterung in Burundi

Tönisvorst · Am rheinischen Karnevalssonntag diesen Jahres besuchte ich die hl. Messe in der Kathedrale in Gitega, der zweitgrößten Stadt in Burundi. Um 10 Uhr füllt sich die Kirche langsam mit einigen tausend Menschen. Erstaunlich viele Kinder sind darunter. Ich selbst bin einer der Ältesten. Zum Einzug der drei Priester mit den Messdienern wird es laut: Trommelklang und der Gesang eines großen Chores junger Leute in einheitlichen Gewändern erfüllt die Kathedrale mit Musik - und die vielen tausend Menschen klatschen den Rhythmus und singen mit - auswendig!

 Pfarrer Ludwig Kamm in der Kirche St. Godehard in Vorst: Im Juli geht er in den Ruhestand. In seinem Ostertext berichtet er aus Burundi.

Pfarrer Ludwig Kamm in der Kirche St. Godehard in Vorst: Im Juli geht er in den Ruhestand. In seinem Ostertext berichtet er aus Burundi.

Foto: WOLFGANG KAISER

Die Liturgie ist identisch mit der in unseren katholischen Gottesdiensten in Kempen und Tönisvorst. Doch an einigen Stellen bricht sich die Freude und Begeisterung der Menschen Bahn: nach der Verkündigung des Evangeliums wird laut und anhaltend geklatscht. Die "Frohe Botschaft" wird bejubelt und ihr begeistert zugestimmt.

Während der Wandlung herrscht in unseren Kirchen andächtiges Schweigen. Anders in Burundi: Nach der Erhebung der gewandelten Gaben von Brot und Wein wird geklatscht und so Christus zugejubelt. Begeisterte Fanfarenklänge habe ich auch schon erlebt.

Ich bin seit 28 Jahren an diese Art Gottesdienste gewöhnt. Doch für fremde Ohren und Augen ist eine Gottesdienstgemeinde in Burundi eine einzige singende und klatschende Gemeinschaft. Der Friedensgruß wird mit Freude geteilt. Ich denke dabei oft: der furchtbare Bürgerkrieg mit vielleicht 300.000 Toten ist erst 12 Jahre vorbei - die ethnischen Auseinandersetzungen hatten auch die katholischen Gemeinden und Gemeinschaften nicht verschont. "Der Friede sei mit euch", war der Gruß des auferstandenen Jesus Christus an seine verängstigten Jünger. Dieser Gruß hat hier in der Gemeinde noch eine ganz existenzielle Bedeutung, auch mir gegenüber. Ich bin der einzige "umusungu", der einzige Fremde und Weiße - und alle in meiner Umgebung wollen mir die Hand zum österlichen Friedensgruß reichen, "amahoro" - Friede und Gemeinschaft sei mit dir; du gehörst zu uns!

In unseren hiesigen Messfeiern gehen die ersten Gläubigen nach der Kommunionausteilung. In der Kathedrale von Gitega - wie in fast allen katholischen Kirchen in Burundi, beginnt nun eine voller Begeisterung gefeierte Danksagung, "action grace". Zu mitreißenden Melodien bewegen sich alle - vom zelebrierenden Priester (oder Erzbischof) bis zum jüngsten Kind außerhalb des Tragetuches seiner Mutter - singend, klatschend und mit weitausladenden Armen. Der Dank für die in der hl. Kommunion geschenkte Gemeinschaft mit Jesus Christus und sein unfassbar großes Gnadengeschenk bricht sich in Gesang und Klatschen und Bewegen Bahn. Eine vieltausendköpfige Gottesdienstgemeinde als eine sich bewegende und wogende Gemeinschaft. Es ist selbstverständlich, dass die Sonntagsmesse zwei Stunden und länger dauert. Ein priesterlicher Freund hat mir einmal erzählt, dass in einer Gemeinde der Pfarrer nach einer Messe, die nur etwas mehr als eine Stunde gedauert hatte, gefragt wurde: sind wir dir nichts wert? Wir sind schon eine Stunde zu Fuß zur Kirche gelaufen - und müssen auch wieder so lange zurücklaufen - und Du hast nur so wenig Zeit für uns?

Wenn ich mit den jungen Menschen mit einer Behinderung, die im Zachäus-Haus wohnen, sonntags abends zusammen bin, fragen sie mich sehr oft, wie lebt die Kirche in Deutschland? Ich muss ihnen dann leider immer wieder sagen: die jungen Leute sehe ich kaum noch. Ungläubiges Staunen sehe ich in ihren Gesichtern. Und sie sagen mir: Wie können sie ohne Glauben und ohne Kirche leben?

Im Johannes-Evangelium erscheint der auferstandene Jesus Christus seinen verängstigten und hoffnungslosen Aposteln als der Lebendige. Er spricht sie mit dem Friedensgruß an und sagt: empfangt den Hl. Geist. Dieser Geist der Begeisterung wird 50 Tage später am Pfingstfest nach Außen wirksam.

Er ist immer noch am Werk, auch wenn wir ihn selten zu spüren meinen. Am Karnevalssonntag habe ich ihn hautnah in Gitega gespürt.

(RP)
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