Tönisvorst Das Gewinnwunder des Eigenkapitalzinses

Tönisvorst · Wer sich die Mühe macht, diesen Artikel bis zum Ende zu lesen, erfährt viel darüber, welche Klimmzüge eine Stadtverwaltung macht, um den Haushalt zu konsolidieren. Und trotz der vielen Zahlen und der schwierigen Begriffe kommt am Ende eine einfache Wahrheit heraus: Dem Bürger wird immer mehr in die Tasche gegriffen, manchmal auch verdeckt.

Das Thema ist ganz unspektakulär: Am 21. September wird im Betriebsausschuss für den Städtischen Abwasserbetrieb das Jahresergebnis und die Verwendung der Gewinne beraten. Der Städtische Abwasserbetrieb Tönisvorst hat im Wirtschaftsjahr 2015 ein Jahresergebnis von 874.092,85 Euro erzielt. Davon sollen 288.928,56 Euro in die Rücklagen gehen, während 585.164,29 Euro als Gewinn an die Stadt ausgeschüttet werden sollen.

Eine halbe Million für den Haushalt? Zustande gekommen ist der Gewinn durch fiktive Zahlen, durch eine Anhebung der Eigenkapitalverzinsung. Der kalkulatorische Zinssatz wird nicht wirklich auf dem Kapitalmarkt erzielt, sondern ist eine Summe, die man in einer Bilanz auf die Rechnung stellt, quasi als eine Summe der entgangenen Zinsen, die man für das im Betrieb gebundene Kapital als Anlage auf dem Finanzmarkt hätte erzielen können. 2012 hat der Stadtrat einem "Einführungszinssatz" von 4,5 Prozent zugestimmt. Im Wirtschaftsplan 2014 wurde der Eigenkapitalzins auf 5,5 Prozent angehoben. Das passiert alles mit höchstrichterlichem Segen.

Das Oberverwaltungsgericht Münster hat 2005 geurteilt, dass sich der kalkulatorische Zinssatz am langfristigen Durchschnitt der Rendite festverzinslicher Wertpapiere öffentlicher Emittenten (Herausgeber von Wertpapieren) orientieren soll. Der maximale Eigenkapitalzinssatz für 2016 wäre nach dieser Methode 6,65 Prozent. Bei den Gebührenkalkulationen der Stadt ist derzeit ein kalkulatorischer Zinssatz von 6 Prozent angesetzt.

Das will man bei den Abwassergebühren ab 2017 übernehmen. Für die Gebührenschuldner (die Tönisvorster Bürger) bedeute die Erhöhung des Eigenkapitalzinssatzes eine Gebührensteigerung von 0,02 Euro je Kubikmeter für die Schmutzwassergebühren und von 0,01 Euro/m3 für die Niederschlagswassergebühren. Ein 4-Personen-Haushalt mit Durchschnittswerten müsste laut Stadt im Jahr 4,49 Euro mehr zahlen.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort