Tönisvorst Einfach einmal das Leben wertschätzen

Tönisvorst · Das Buch "Nichts" der dänischen Autorin Janne Teller war Ausgangspunkt für einen Literaturabend am Michael-Ende-Gymnasium. Schüler der Literatur- und Musikkurse der elften Jahrgangsstufe zeigten eine beeindruckende Aufführung.

 70 Schülerinnen und Schüler der elften Stufe des Tönisvorster Gymnasiums setzten sich auf unterschiedlichste Weise mit der Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz auseinander.

70 Schülerinnen und Schüler der elften Stufe des Tönisvorster Gymnasiums setzten sich auf unterschiedlichste Weise mit der Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz auseinander.

Foto: WOLFGANG KAISER

Die Drohne mit der Kamera schwebt über das winterlich graue Gelände des Michael-Ende-Gymnasiums in Tönisvorst und zoomt dann hinein in eine dramatische Geschichte um das Ende einer Freundschaft, um Treue und Verrat. Der Film "Freunde fürs Lebens?" gedreht von Schülern der elften Klasse, ist sicher einer der Höhepunkte des Literaturabends. Handwerklich von erstaunlicher Professionalität, spannend und authentisch in der Handlung, ein Stück echter Schüleralltag. Aus dem Nichts hat sich paradoxerweise ganz viel entwickelt. Denn das Buch mit dem Titel "Nichts" der dänischen Autorin Janne Teller war der Leitfaden für einen bunten Literaturabend am städtischen Michael-Ende-Gymnasium.

Im gut besuchten Forum erlebten Schüler, Eltern und Lehrer ein dichtes Kaleidoskop an kreativem Bühnengeschehen. Es ist die Antwort der Schüler auf die Provokation, die in Janne Tellers Buch formuliert wird: "Nichts bedeutet irgendetwas. Daher lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun." Ein halbes Jahr lang, seit den Sommerferien, haben die beiden Literaturkurse und der Musikkurs der elften Klassen unter Leitung von Julia Gebhardt und Lena van Stephaudt am Projekt gearbeitet. 70 Schülerinnen und Schüler setzten sich auf unterschiedlichste Weise mit der Frage nach dem Sinn der menschlichen Existenz auseinander. Sie schrieben Texte, komponierten Songs, choreografierten Schwarzlichttheater, entwickelten Szenen, Hörspiele und Filme.

Im Kern wird die Geschichte des Schülers Pierre Anthon nacherzählt, der im Unterricht verkündet, dass das Leben ohne Bedeutung ist. Er verlässt die Schule und lebt fortan auf einem Obstbaum. Diese Provokation wollen seine Mitschüler nicht stehenlassen. Sie beginnen einen eigenen "Berg der Bedeutung" zu erschaffen, um Pierre vom Gegenteil zu überzeugen. Ein Prozess wird in Gang gesetzt, der eine eigene, unkontrollierte Dynamik entwickelt und tragisch endet. Denn letztlich kann auf die Frage nach dem Sinn der Existenz jeder Mensch nur seine eigene Antwort finden - oder auch nicht. Dies zeigen die Beiträge der Schüler, die sie den jeweiligen Interessen und Talenten folgend weitgehend eigenständig entwickelten.

Durch das Programm führte ein Trio, das in seiner Gegensätzlichkeit schon Spannung verkörpert: eine Pippi Langstrumpf, die ihre Lebensregeln jenseits aller Konventionen selbst aufstellt, und ein eher karriereorientiertes, auf Leistung getrimmtes, äußerlich gestyltes Zwillingspaar. Geld, Freunde, Beziehung, Beruf, ein erfülltes Leben: Zu Beginn des Abends zeigen die Schüler in einem chorischen Sprechgesang eine ganze Palette an möglichen Antworten auf, die in einer Art Brainstorming entwickelt wurden. Melancholisch und nachdenklich eingefärbt sind viele Beiträge. "Ich stehe vor einem Trümmerhaufen, der sich Leben nennt", so formuliert es eine Schülerin in ihrem selbst verfassten Poetry-Slam. "Wichtig ist, dass wir selbst leben. Ich lasse mich in keine Schublade mehr stecken", so ihr Fazit, und: "Wir müssen leben. Nicht erst nach dem Abi. Jetzt."

Auch musikalisch nähern sich die Schüler dem Thema an. In einem selbstgeschriebenen Song wird dazu aufgefordert, "das Leben einfach mal zu genießen und wertzuschätzen, anstatt immer alles nur schlecht zu reden." Perfekt eingeübt wurde eine Schwarzlichttheaterszene, bei der Schülerinnen Worte aus dem begleitenden Song mit ihren Händen nachbilden und so auf erstaunliche Art lesbar machen. Auf gespanntes Interesse stößt das Interview, das mit Lehrern der Schule geführt wurde. Sie wurden mit Fragen zu Werten und Sinn in ihrem eigenen Leben konfrontiert und auch herausgefordert, etwa: "Würden Sie Ihr Leben für einen anderen Menschen opfern?" Immer wieder wird der Wert der Freundschaft betont. Und auch wenn der erwähnte Filmbeitrag gerade diesen Wert noch einmal hinterfragt, so lässt doch die Äußerung des Filmteams am Ende des Abends wieder hoffen. "Durch dieses Projekt jedenfalls ist unsere Freundschaft noch um einiges stärker geworden", bekundeten die jungen Schauspieler und Regisseure.

Großer Applaus belohnt alle Mitwirkenden nach mehr als zwei Stunden reiner Spielzeit.

(evs)
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