Tönisvorst Einsatz für Toleranz und Mitgefühl

Tönisvorst · Eine Gedenktafel an der Clevenstraße erinnert jetzt an die Vorster, die während der Diktatur der Nationalsozialisten verfolgt, vertrieben und ermordet wurden. 27 Namen sind es, die für das Leid von Vielen stehen.

 Bei der Gedenkfeier haben sich auch Schüler der Stolperstein-AG des Michael-Ende-Gymnasiums Tönisvorst eingebracht. "Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person" schrieben sie mit Kreide auf den Boden.

Bei der Gedenkfeier haben sich auch Schüler der Stolperstein-AG des Michael-Ende-Gymnasiums Tönisvorst eingebracht. "Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person" schrieben sie mit Kreide auf den Boden.

Foto: W. KAISER

Christel Thomschak steht nicht auf der Rednerliste. Dennoch ergreift die 87-Jährige das Wort, bevor die offizielle Feierstunde beendet ist. "Ich bin tief bewegt, dass das alles möglich geworden ist", sagt die Vorsterin und ihre Stimme zittert. "Mein Vater war der erste Vorster Bürger, den die Nazis verhaftet haben. Ein Jahr lang saß er in Anrath im Gefängnis, ohne Anklage und ohne Prozess. Er hatte nichts verbrochen, er war lediglich Kommunist."

Christel Tomschaks Vater war Johannes Bossinger. Sein Name ist einer von 27, die jetzt auf einer Gedenktafel verewigt sind, die ihren Platz an der Clevenstraße im Vorster Ortskern gefunden hat. "Ihr Schicksal soll mahnen, alles dafür zu tun, dass sich solch eine Menschenverachtung nicht wiederholen kann", steht neben den Namen auf der 1,60 Meter mal 70 Zentimeter großen Edelstahlplatte, die die Vorster Künstlerin Edith Mascini entworfen hat.

Etwa 120 Menschen haben sich am Mittwochabend eingefunden, um bei der Enthüllung des Mahnmals dabei zu sein. Musikalisch begleitet wird die abendliche Veranstaltung von Rita Suermondt, die Texte von Ilse Werner vorträgt, einer Frau, die gemeinsam mit ihrem jüngsten Sohn in Theresienstadt vergast worden ist. Initiiert hat die Gedenktafel, wie schon die Stolpersteinverlegung im Dezember 2013, ein Initiativkreis aus Vorster Bürgern.

Außerdem hat sich die Stolperstein-AG des Michael-Ende-Gymnasiums eingebracht. So steht auch Abiturientin Sina Kugel bei der Feierstunde am Rednerpult. "Wir sind auf dem Weg des Gedenkens und der Achtsamkeit", sagt die 19-Jährige, "wir gehen diesen Weg, um zu verhindern, dass sich so etwas wie die NS-Diktatur und der Holocaust wiederholen." Anschließend lesen die Schüler des Tönisvorster Gymnasiums jeden Namen auf der Tafel einzeln vor, zünden eine weiße Kerze an und verteilen das Licht. "Jeder hat das Recht auf Leben, Freiheit und Sicherheit der Person", haben die Gymnasiasten außerdem mit Kreide auf den Boden der Clevenstraße geschrieben.

"Versöhnung und Frieden gibt es nur durch Erinnern", zitiert Bürgermeister Thomas Goßen den Altpräsidenten Richard von Weizsäcker in seiner Rede. Erste stellvertretende Landrätin Luise Fruhen blickte in einer sehr persönlichen Ansprache zurück in ihre Jugend. "Wir fragten uns, wie wir mit den Bildern von brennenden Synagogen, von Menschen, die zusammengepfercht in Viehwagen zu industriell organisierten Vernichtungslagern transportiert wurden, mit den Bildern von Massengräbern und Leichenbergen fertig werden sollten."

Politik mitgestalten, Demokratie leben, sich einbringen in die Gesellschaft - das ist die Antwort, die die Landrätin für sich gefunden hat. Sich nicht zu beteiligen, nicht mal wählen zu gehen, sei "vor dem Hintergrund unserer Geschichte wirklich verantwortungslos", sagt die Landrätin und schließt mit der Hoffnung, dass ein paar junge Menschen aus Tönisvorst aus den Lehren der Vergangenheit Konsequenzen ziehen und "in Ehrenamt und Politik Verantwortung für eine freie, demokratische Gesellschaft übernehmen, in der Toleranz und Mitgefühl zu den höchsten Gütern zählen." Christel Tomschak ist diesbezüglich optimistisch: "Wenn ich diese jungen Leute sehe, die heute hier stehen und sich so engagiert haben, ist mir um die Zukunft nicht bange."

(WS03)
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