Tönisvorst "Erziehung der Kinder sollte mehr wert sein"

Tönisvorst · Rund 200 Erzieherinnen zogen gestern laut pfeifend durch die St. Töniser Innenstadt. Die Gewerkschaft Verdi hatte zur Streikkundgebung aufgerufen. Seit Montag werden die fünf städtischen Kitas in Tönisvorst bestreikt.

 Am zweiten Streiktag in Tönisvorst versammelten sich rund 200 Erzieherinnen vom ganzen Niederrhein nach einem Aufruf der Gewerkschaft Verdi zu einer Streikkundgebung vor dem Rathaus in St. Tönis.

Am zweiten Streiktag in Tönisvorst versammelten sich rund 200 Erzieherinnen vom ganzen Niederrhein nach einem Aufruf der Gewerkschaft Verdi zu einer Streikkundgebung vor dem Rathaus in St. Tönis.

Foto: WOLFGANG KAISER

Dorothee Wefers arbeitet seit 1974 als Erzieherin. Seitdem hat sich viel geändert in ihrem Berufsalltag. "Es sind immer mehr Aufgaben hinzugekommen", sagt die Mitarbeiterin des städtischen Familienzentrums "Villa Gänseblümchen" in St. Tönis. Durch etliche Fortbildungen und Zusatzqualifizierungen haben die Erzieherinnen sich auf die neuen Herausforderungen eingestellt und managen heute die Betreuung von Kindern unter drei Jahren und die Inklusion, werden dem Bildungsauftrag gerecht und unterstützen mit Beratungen und Angeboten Familien, die Hilfe brauchen. "Für all diese Leistungen, für die gesellschaftliche Verantwortung, die wir haben, wollen wir eine Anerkennung, die sich auch finanziell bemerkbar macht", sagt Elke Roulands, Leiterin der "Villa Gänseblümchen" bei der zentralen Kundgebung für den linken Niederrhein, die die Gewerkschaft Verdi gestern Vormittag auf dem St. Töniser Rathausplatz organisiert hat. Aus Tönisvorst und Willich, Meerbusch, Moers, Rommerskirchen und Kamp-Lintfort sind Erzieherinnen nach St. Tönis gekommen. Eskortiert von der Polizei ziehen sie laut pfeifend von der Jahn-Sportanlage zum Rathausplatz in der Fußgängerzone.

"Ich bin keine Basteltante, ich bin Bildungsbeauftragte" und - ironisch - "Die spielen ja nur" haben sie auf ihre Plakate geschrieben. Etliche Erzieherinnen haben sich außerdem Rucksäcke aus Pappe gebastelte. "Das sind die Lasten, die wir im Beruf schultern", erklärt Elke Roulands die Aktion: "Individuelle Lerngeschichten, Bildungsdokumentation, Inklusion, Förderung, Elternbegleitung, soziale Nähe" und andere Schlagwörter sind da zu lesen. Die Eltern, die sich vereinzelt ebenfalls zur Kundgebung eingefunden haben, zeigen Verständnis für den Streik und die Forderungen der Erzieherinnen. "Wir brauchen motivierte Erzieherinnen, denn sie betreuen das wichtigste, was wir haben: unsere Kinder", sagt die zweifache Mutter Sonja Buck. "Jeder sollte ein angemessenes Gehalt für seine Leistung bekommen und die Mitarbeiter in den Kitas leisten großartige Arbeit." Immer mehr Aufgaben, Elternabende, Wochenendveranstaltungen, als das müsse anders honoriert werden, stimmt Waldemar Buck zu. "Die Erziehung unserer Kinder sollte uns mehr wert sein."

Die Tarifverhandlungen gehen bereits in die fünfte Runde. "Und noch immer liegt kein Angebot vor", sagt Fabian Gödeke, Gewerkschaftssekretär bei Verdi. Die Eingruppierung nach Aufgabengebieten für Erzieherinnen sei von 1991. "Das ist längst überholt, das muss aktualisiert und neu bewertet werden", sagt der Verdi-Vertreter. Verdi hat zum unbefristeten Streik aufgerufen. Während der Streik in einigen Willicher Einrichtungen bereits in die zweite Woche geht, wollen die Tönisvorster Erzieherinnen nur diese Woche die Arbeit niederlegen. Für Betreuungsnotfälle gibt es eine Gruppe in der Kita Jägerstraße. An der Kundgebung nahmen auch die drei Schulsozialarbeiter der Stadt Tönisvorst teil sowie Betreuerinnen der Offenen Ganztagsgrundschule. Vertreter der Stadt ließen sich bei der Demo nicht blicken.

(WS03)
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