Tönisvorst Fahren ohne Sprit wie die Feuerwehr

Tönisvorst · In St. Tönis steht einer von europaweit zwei mobilen Lkw-Simulatoren auf dem Hof des Bildungszentrums. Dort werden Lkw-Fahrer geschult und fortgebildet. Ohne Stau und Emissionen können alle Verkehrssituationen eingeübt werden.

 Fahrlehrer und Dozent Richard Haigh hat im Fahrsimulator Platz genommen. Der Platz ist ein Original-MAN-Fahrerhaus, auf die Fensterfläche werden die Computersimulationen aufgespielt, dazu kommen Geräusche und Bewegungen.

Fahrlehrer und Dozent Richard Haigh hat im Fahrsimulator Platz genommen. Der Platz ist ein Original-MAN-Fahrerhaus, auf die Fensterfläche werden die Computersimulationen aufgespielt, dazu kommen Geräusche und Bewegungen.

Foto: Kaiser, Wolfgang (wka)

Fahrten mit Blaulicht, Reagieren bei geplatztem Reifen, mit einem Sattelschlepper Serpentinen fahren - der Fahrsimulator macht es möglich: Realistisch und effektiv, dabei ohne Emissionen und Stau. Dieser hochmoderne, computergesteuerte Fahrsimulator eröffnet großartige Möglichkeiten, Fahrpraxis zu erwerben oder Extrem-Situationen zu bewältigen, die auch "alte Hasen" noch nicht erlebt haben. Europaweit gibt es nur zwei dieser hochmodernen Lkw-Simulatoren, die überall aufgestellt werden können. Denn anders als herkömmliche Simulatoren ist dieses Teil nicht fest installiert, sondern mobil. So war der Simutruck beim Flughafentag in Mönchengladbach und beim Gefahrguttag in Grevenbroich.

Der Simulator im Auflieger eines Sattelzuges hat ein niederländisches Kennzeichen - denn der Truck ist von Anfang an als grenzüberschreitendes Projekt der Euregio Rhein-Maas-Nord konzipiert und sowohl in Venlo als auch in Tönisvorst stationiert. Um das 1,5 Millionen teure Teil anschaffen zu können, haben viele Förderer das Vorhaben unterstützt: Offizieller Betreiber des Fahrsimulators ist die Europäische Stiftung für Berufskraftfahrerschulen (SEB). Sie wird unterstützt von der Provinz Limburg, der IHK Limburg (Kamer van Koophandel Limburg), der Stadt Venlo, der Bezirksregierung des Straßenwesens Limburg (Regionaal Orgaan Verkeersveiligheid Limburg), dem Wirtschaftsministerium des Landes Nordrhein-Westfalen und der IHK Mittlerer Niederrhein.

 Vom Kontrollraum im Simutruck können die Simulationen beeinflusst und die Fahrer im voll beweglichen Simulator beobachtet werden.

Vom Kontrollraum im Simutruck können die Simulationen beeinflusst und die Fahrer im voll beweglichen Simulator beobachtet werden.

Foto: W. KAISER

Entwickelt wurde der Simutruck von Krauss-Maffei Wegmann, einem Rüstungsunternehmen in München. Und so wundert es nicht, dass die Computerprogramme auch eine Fahrt durch ein Militärcamp in Afghanistan ermöglicht. Die Bildauflösung der Grafikprogramme ist erstaunlich, die Qualität ermöglicht realistische Übungsmöglichkeiten. Und manch ein Berufsfahrer ist nassgeschwitzt aus dem Simulator gekommen, weil er vergessen hat, dass alles ja nur quasi ein Computerspiel ist. Und manche Übungsteilnehmer für Blaulichtfahrten - so war auch schon die Feuerwehr Kempen im BZ - wollten das Teil glatt mitnehmen, so begeistert waren sie von den Möglichkeiten.

Betriebsleiter Ulrich Wibbeke und sein Vertriebsleiter Bernd Rütten sind stolz auf den Erfolg, den der Simutruck bei den Testfahrern hat. Und der aus Schottland stammende Fahrlehrer aller Klassen Richard Haigh zählt die Vorteile dieses Teils auf: Wie lernt man Lkw-Fahren unter den verschiedensten Bedingungen, Tag oder Nacht, Stadt oder Autobahn, Nebel oder Schnee - ohne dafür einen Kilometer zu fahren? Wie trainiert man Gefahrensituationen bis hin zur Notbremsung im Schotterbett, ohne dass Mensch und Maschine zu Schaden kommen können? Und ohne dass ein einziger Liter Diesel verbraucht wird? Der Fahrer auf dem Simulatorsitz, der einen Fehler mache, lerne daraus, könne aber keinerlei Schaden anrichten. Wie wahr. Wer kann schon auf Anhieb mit einem Sattelschlepper enge Serpentinen erklimmen oder mit einem Anhänger rückwärts um die Ecke?

In der Realisierungsphase gab es unerwartete Probleme, so passten manche Komponenten, teilweise aus den USA geliefert, einfach nicht zusammen. An dem Programm für ein "dynamisches CBT" (computer based training) wurde bis zur letzten Minute gefeilt. Doch jetzt steht ein Simulator auf einem in Europa einzigartigen technischen Niveau zur Verfügung. Wibbeke betont, die Vorteile besonders im deutsch-niederländischen Bezug. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen solle möglichst zur Entwicklung infrastruktureller Fortbildungsangebote und Prüfungseinrichtungen für das Güterkraftverkehrsgewerbe führen, und ganz nebenbei den Nachwuchs für den Kraftfahrerberuf begeistern. Der Bedarf besteht in Limburg wie am Niederrhein beiderseits der deutsch-niederländischen Grenze.

(RP)
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