Tönisvorst Flüchtlinge in den Lagern brauchen Hilfe

Tönisvorst · Der Nordirak war gestern Schwerpunktthema bei Action Medeor. Zu Besuch war die syrisch-orthodoxe Schwester Hatune Dogan. Zurück aus dem Krisengebiet berichtete auch Eva Greitemann über die Lage in den Flüchtlingslagern.

 Gestern besuchte Schwester Hatune Dogan das Medikamentenhilfswerk in Vorst. Vor der Zentrale wird sie flankiert von den Action Medeor-Mitarbeiterinnen Sophia-Helena Zwaka (links) und Eva Greitemann.

Gestern besuchte Schwester Hatune Dogan das Medikamentenhilfswerk in Vorst. Vor der Zentrale wird sie flankiert von den Action Medeor-Mitarbeiterinnen Sophia-Helena Zwaka (links) und Eva Greitemann.

Foto: WOLFGANG KAISER

Die Situation in den Flüchtlingslagern ist katastrophal, die Verzweiflung der verfolgten Christen im Nahen Osten ist groß. "Und die Welt schaut zu." Schwester Hatune Dogan ist fassungslos. Sie will nicht bloß zuschauen, sondern handeln, sprich den Armen und Verfolgten helfen. Die syrisch-orthodoxe Ordensschwester ist mit ihren Stiftungen weltweit unterwegs, doch momentan konzentriert sich die "Mutter Teresa des Nahen Osten" auf ihre Heimatregion. In der Südosttürkei geboren, musste ihre christliche Familie fliehen. Mit 14 kam sie nach Deutschland, nach Paderborn, mit 18 trat sie einen Orden ein, machte Ausbildungen zur Krankenschwester, Theologin und Psychotherapeutin.

Jetzt reist sie regelmäßig in den Nahen Osten, um den Menschen in der Not zu helfen. Und was sie dort sieht und man ihr in den Flüchtlingscamps im Nordirak erzählt, muss sie zu Hause loswerden. Sie will die Menschen aufrütteln, auch wenn sie in ihren Berichten überhaupt nicht politisch korrekt bleibt - wenn sie etwa von türkischen Tanklastern berichtet, die im Nordirak zu den vom IS beherrschten Gebieten unterwegs gewesen seien. Oder wenn sie die Situation in den Kurdengebieten der Osttürkei als schlimmer und gefährlicher beschreibt als im Nordirak.

Als syrisch-orthodoxe Christin gehörte sie in der Türkei einer kleinen Minderheit an. Sie ist in einer muslimisch dominierten Welt groß geworden, sie macht sich keine Illusionen über die Absichten radikaler Muslime und befürchtet auch große Gefahren von den nach Deutschland gekommenen Radikalen, die als Flüchtlinge getarnt eingereist seien. Sie kritisiert die mangelnde Korrektheit der UN-Flüchtlingsorganisation, deren muslimische Mitarbeiterinnen Christen systematisch benachteiligen würden. Die Ordensschwester berichtet von fürchterlichen Übergriffen des IS auf Kinder. Tausende jesidischer Mädchen und junger Frauen würden entführt, täglich mehrfach vergewaltigt oder als Sexsklavinnen verkauft. Frauen, deren Familien nicht genügend Lösegeld bezahlen konnten, wurden mit Messern im Gesicht, an den Büsten oder Genitalien verletzt. Sie zeigt Fotos von einer Frau mit Brandwunden am ganzen Körper. Als ausgebildete Krankenschwester versucht sie, direkt vor Ort zu helfen. Seit 14 Jahren arbeitet sie dabei mit Action Medeor zusammen. Gestern war sie zum ersten Mal persönlich zu Besuch.

Eva Greitemann ist als Partner Development bei Action Medeor viel unterwegs, jetzt hielt sie sich acht Tage in kurdischen Gebieten im Nordirak auf und besuchte mehrere Flüchtlingslager in Dohuk und Erbil. Seit 2014 hat Action Medeor rund 32 Tonnen an Hilfsgütern in die Region Nordirak geliefert, dafür wurden 600.000 Euro an Spendengeldern gebraucht. Um die Arbeit von Schwester Hatune in den Flüchtlingslagern zu unterstützen, werden aktuell 45.000 Euro neu veranschlagt. Für eine erste Tranche sind 15.000 Euro finanziert, davon kommen 5000 Euro von der Spendenaktion im Einzelhandelsverband Krefeld-Viersen. Damit fehlen noch 30.000 Euro, die Action Medeor bittet dafür um Spenden. Das Hilfswerk hat jetzt eine neue Mitarbeiterin eingestellt, die im nächsten Jahr direkt vor Ort im Nordirak den Kontakt mit lokalen Hilfsorganisationen, der Regierung und dem Zoll pflegen soll. Sophia-Helena Zwaka (27) kommt aus Berlin, nach ihrem BWL-Studium hat sie Nahost-Studien in London drangehängt. Sie hat Praktika in Tunesien und Marokko absolviert und ein Auslandssemester im Libanon verbracht. Bernd Pastors, Vorstand von Action Medeor, kennt die Gefahr, dass mit Hilfsgütern Politik gemacht werde. Deswegen verschicke Action Medeor lieber kleine Lieferungen an kleine lokale Organisationen.

(RP)
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