Tönisvorst Fürs Leben lernen auf hoher See

Tönisvorst · Sieben Monate lang tauscht der 16-jährige Jeremias Schleeger aus Vorst die Kursräume des Michael-Ende-Gymnasiums gegen ein segelndes Klassenzimmer. Gelernt wird auf dem Atlantik und in der Karibik.

 Der 16-jähriger Jerry Schleeger, der bisher weder Segeln kann noch Spanisch spricht, segelt nach Mittelamerika. Der Schüler des Michael-Ende-Gymnasiums will dort den Urwald erkunden und fremde Kulturen kennenlernen.

Der 16-jähriger Jerry Schleeger, der bisher weder Segeln kann noch Spanisch spricht, segelt nach Mittelamerika. Der Schüler des Michael-Ende-Gymnasiums will dort den Urwald erkunden und fremde Kulturen kennenlernen.

Foto: WICKERATH

Hochseetaugliches Ölzeug und eine Badehose, Gummistiefel und Taucherflossen, ein Segelmesser und ein USB-Stick - es ist keine gewöhnliche Urlaubsreise, für die der Vorster Jeremias Schleeger die Tasche packt. Der 16-Jährige wird sieben Monate lang statt im Gebäude des Michael-Ende-Gymnasiums Tönisvorst auf einem Zweimastschoner unterrichtet. Und statt zwischen St. Tönis und Vorst zu pendeln, segelt Jerry zu den kanarischen Inseln, über den Atlantik und durch die Karibik. "Ich habe keine Ahnung, was mich alles erwartet", gibt der Schüler kurz vor der Abreise zu, "aber ich werde viel von der Welt sehen und eine Menge lernen."

"High Seas High School" oder "Das segelnde Klassenzimmer" heißt das Projekt, das die Hermann-Lietz-Schule mit Sitz auf der Nordseeinsel Spiekeroog für Jugendliche zwischen 15 und 17 Jahren anbietet. 26 Jungen und Mädchen sind es, die jedes Jahr mit sechs Lehrern und einer Crew von Hamburg nach Teneriffa und von dort nach Mittelamerika segeln. Costa Rica, Panama, Mexiko, die Bahamas und Kuba gehören zu den Stationen, die die Besatzung ansteuert. Über die Azoren geht es dann im Mai 2015 zurück nach Deutschland.

Dabei werden die Teilnehmer nicht nur die Welt vom Wasser aus sehen. "Wir gehen immer wieder an Land", erzählt Jerry. Teilweise sind die Schüler bei Gastfamilien untergebracht. Der Großteil des Schulunterrichts wird aber an Bord stattfinden. "In Kuba sind wir allerdings in einer Partnerschule der Hermann- Lietz-Schule", erzählt der Vorster. Weder spanisch zu sprechen noch segeln zu können, gehörte zu den Voraussetzungen für die Teilnahme. Beides werden die Jugendlichen aber auf dem Schiff lernen.

Vielmehr ging es bei der Auswahl der Teilnehmer um soziales Engagement, Teamprojekte und persönliche Motivation. "Ich liebe das Meer und ich will die Hochsee erleben, außerdem will ich etwas von der Welt sehen, durch den Urwald wandern und andere Kulturen kennenlernen", antwortet Jerry nach seiner Motivation gefragt. Und auch für seinen Traumberuf Diplomat sei die Reise eine gute Vorbereitung, sagt der 16-Jährige, der nach dem Abitur Konflikt- und Friedenswissenschaften studieren möchte.

Ein bisschen Konfliktforschung wird der Vorster wohl schon auf dem Segelschiff betreiben können, denn die Jugendlichen, ihre Lehrer und die Crew müssen miteinander auskommen - weglaufen geht nicht. Allerdings bietet der Zweimastschoner mit einer Länge von 36 und einer Breite von acht Metern Rückzugsmöglichkeiten. "Aber wir müssen auch mitanpacken", weiß Jerry. Ein Koch sei nur bis Teneriffa mit an Bord, danach müssen die Schüler selber für die Verpflegung sorgen. Neben kochen, aufräumen, putzen und segeln gehören auch Nachtwachen zu den Aufgaben an Bord.

Jerrys Eltern sind überzeugt davon, dass das segelnde Klassenzimmer eine einmalige Erfahrung für ihren Sohn sein wird. Dass der Gymnasiast sich dafür gegen Gelbfieber, Hepatitis, Typhus und Tollwut impfen lassen musste und in die Jahrgangsstufe 10 zurückgestellt wurde, nehmen sie in Kauf. "Auf diesem Schiff wird er etwas fürs Leben lernen", sagt seine Mutter Angela Krumpen. Das verspricht auch die Hermann-Lietz-Schule auf ihrer Internetseite: "Lernen mit Kopf, Herz und Hand" stehe im Mittelpunkt des pädagogischen Konzepts, heißt es da. Ziel sei, dass die Jugendlichen Lebenskompetenz und Mut erwerben.

(WS03)
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