Tönisvorst Gabriel: "Afrikanisches Jahrhundert"

Tönisvorst · Bundesaußenminister Sigmar Gabriel besuchte gestern am frühen Nachmittag das Vorster Medikamentenhilfswerk Action Medeor. Der 57-Jährige sprach über Flüchtlinge, Entwicklungshilfe und die Türkei.

 Der Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner (von links) hatte Außenminister Sigmar Gabriel nach Tönisvorst eingeladen. Bei Action Medeor wurden sie von Präsident Siegfried Thomaßen und Vorstandssprecher Bernd Pastors begrüßt.

Der Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner (von links) hatte Außenminister Sigmar Gabriel nach Tönisvorst eingeladen. Bei Action Medeor wurden sie von Präsident Siegfried Thomaßen und Vorstandssprecher Bernd Pastors begrüßt.

Foto: Kaiser

Wenn die Polizei mit einem Streifenwagen auf der St. Töniser Straße steht und vor dem Eingang von Action Medeor schwarze Limousinen mit Blaulicht parken, dann ist klar, dass das Medikamentenhilfswerk wieder einen besonderen Gast begrüßen kann. Diesmal ist es Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, dem Vorstandssprecher Bernd Pastors und Präsident Siegfried Thomaßen die Hand schütteln. Eingeladen hat den SPD-Spitzenpolitiker der Viersener Bundestagsabgeordnete Udo Schiefner. "Ich habe für den Besuch des Außenministers im Kreis bewusst Action Medeor ausgesucht, denn das Medikamentenwerk leistet in der ganzen Welt großartige humanitäre Hilfe", sagt Schiefner.

Gabriel zeigt sich beeindruckt von dem Unternehmen aus Vorst. "Die Arbeit, die Sie leisten, kann nicht hoch genug geschätzt werden", sagt der 57-Jährige. Der Staat könne alleine gar nicht so viel Hilfe leisten. Außerdem fände er es schön, seinen Chef mal kennenzulernen, scherzt der Außenminister mit Blick auf Bernd Pastors, der auch Vorstandsvorsitzender bei "Aktion Deutschland Hilft" ist, in deren Kuratorium Gabriel von Amtswegen Mitglied ist.

Überhaupt gibt Gabriel sich in Vorst locker und sympathisch und beweist zu den verschiedensten Themenfeldern Sachkenntnis. Der Schwerpunkt des Gesprächs liegt auf den Krisen, Kriegen, Dürren und anderen Katastrophen in Afrika. Gabriel spricht vom "afrikanischen Jahrhundert" und prophezeit, dass sich die Bevölkerung des Kontinents in den nächsten Jahrzehnten verdoppeln werde und damit zu rechnen sei, dass die Afrikaner nach dem Motto der Bremer Stadtmusikanten "Etwas Besseres als den Tod findest du überall" auch weiterhin ihr Glück in Europa suchen.

Es sei wichtig, nach Krisenprävention und Soforthilfe die Länder zu stabilisieren und den Menschen Perspektiven zu bieten. "Wir haben deshalb die Mittel für Prävention und Soforthilfe vervierfacht und den Etat der Entwicklungshilfe aufgestockt", sagt der 57-Jährige. Dem Trend aus den USA, das Geld lieber in Rüstung zu investieren, erteilt der deutsche Außenminister eine klare Absage. "Ich bin auch dafür, die Bundeswehr besser auszurüsten, aber ich bin dagegen, sie aufzurüsten."

Auf die Flüchtlingslager in Libyen angesprochen, sagt der 57-Jährige, dass er sie nicht grundsätzlich verurteile, weil sie dazu beitrügen, Schlepper auszuschalten, aber es sei besser, Hot Spots für Flüchtlinge unter dem Dach des UNHCR, dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, im Süden des Landes einzurichten. Dafür müsse aber geklärt werden, wer die Sicherheit der Lager gewährleiste, was mit abgewiesenen Flüchtlingen passiere und wer verhindere, dass die Hot Spots als Nadelöhr zu Europa überrannt werden.

Die Flüchtlingslager in der Türkei lobt der Außenminister. "Dort funktioniert das, weil die Türkei ein funktionierender Staat ist." Für die "enttäuschte Türkenliebe" zeigt Gabriel Verständnis. Wer 50 Jahre lang mit der Türkei über einen EU-Beitritt verhandle, sei unehrlich, das habe auch die Türkei gemerkt. Wichtig sei ihm, den Türken zu vermitteln, "nicht wir entfernen uns von der Türkei, sondern Erdogan entfernt die Türkei von uns."

(WS03)
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