Tönisvorst Kirchenglocken von Hand angeschlagen

Tönisvorst · Ein etwa 30-minütiges Glockenkonzert gibt es nach der Fronleichnams-Messe in St. Tönis. Unter Leitung der Organistin Ursula Neugebauer werden verschiedene Melodien gespielt. Das manuelle Glockenspiel wird Beiern genannt.

 Diese fünf Männer werden an Fronleichnam die Tradition des Glockenbeierns fortsetzen. Am Samstag probten sie unter Anleitung von Kantorin Ursula Neugebauer im Glockenstuhl von St. Cornelius in St. Tönis.

Diese fünf Männer werden an Fronleichnam die Tradition des Glockenbeierns fortsetzen. Am Samstag probten sie unter Anleitung von Kantorin Ursula Neugebauer im Glockenstuhl von St. Cornelius in St. Tönis.

Foto: WICKERATH

"Akkordeonspielen ist einfacher", findet Werner Lessenich, einer der fünf Männer, die gerade mit Organistin Ursula Neugebauer im Glockenturm der katholischen Pfarrkirche St. Cornelius stehen. Vor allem aber ist Akkordeonspielen bequemer. Im Glockenturm stehen die Musiker teilweise auf Leitern, wie Raimund Bienbeck, teilweise auf wackligen Brettern. Manche müssen sich bücken, wie Peter Wirtz und Daniel Steffens, andere, etwa Thomas Meyer, müssen sich strecken, um an den Klöppel zu kommen, mit dem die Glocke geschlagen wird. Da hat es Werner Lessenich noch vergleichsweise gut. Die Christusglocke, der er das hohe C entlocken muss, wird mit einem festinstallierten Metallhammer geschlagen.

Daniel Steffens hingegen, der die größte Glocke spielt, die Dreifaltigkeitsglocke, kniet fast vor dem riesigen Bronzeguss, dessen Klöppel mit einem Seil umwickelt ist, das Steffens kräftig ziehen muss, damit der Klöppel gegen das Glockeninnere schlägt. Erschwerend hinzukommt, dass ein eisiger Wind durch den Glockenturm zieht und die Musiker ohne einen guten Ohrenschutz verloren wären. Trotz der widrigen Umstände strahlen die Männer, als sie nach einer Stunde Probe wieder vor der Kirche stehen. "Ich finde es toll, dass der alte Brauch des Beierns wiederbelebt wird", sagt Werner Lessenich. Auch Ursula Neugebauer, die die Melodien auf die Töne der Glocken umgeschrieben hat, ist zufrieden. "Ich freue mich, wenn die Menschen die Kirchenglocken wieder bewusst wahrnehmen." Viele Jahrhunderte lang seien die Kirchenglocken der Taktgeber für den Alltag gewesen. Heute sei das fast ganz in Vergessenheit geraten.

Das Beiern, also das Spiel der Kirchenglocken von Hand, ist eine musikalische Tradition, die seit dem 15. Jahrhundert überliefert ist. Besonders im Rheinland und in den Niederlanden hatte das Spiel der Kirchenglocken von Hand Hochkonjunktur. Beim traditionellen Beiern kann ein Spieler bis zu drei Glocken gleichzeitig bedienen. Das allerdings ist im Glockenturm von St. Cornelius nur schwerlich möglich, weil die Glocken auf unterschiedlichen Ebenen hängen. Die Idee, das Beiern in St. Tönis wiederzubeleben, hatte Werner Lessenich, der im Heimatbund aktiv ist, zum 50. Glockenjubiläum im Jahr 2010. Damals allerdings fanden sich keine Mitstreiter. Bei Ursula Neugebauer aber, die stets mit viel Elan an musikalische Projekte herangeht, stieß die Idee auf offene Ohren. Und so wurde bereits im vorigen Jahr, zur Cornelius-Oktav im September, der Festwoche für den Namenspatron, erstmalig gebeiert.

Am kommenden Donnerstag, wenn in St. Tönis wieder gebeiert wird, spielen die Musiker ein österliches Halleluja und bekannte Kirchenlieder wie "Nun danket all und bringet Ehr" und "Maria breit den Mantel aus". Da allerdings nur fünf Töne zur Verfügung stehen, müssen die Glockenspieler teilweise improvisieren. Bei der Generalprobe aber waren alle Melodien deutlich zu erkennen - trotz Ohrenschützer.

(WS03)
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