Tönisvorst Kneipe schließt: Eine Ära geht zu Ende

Tönisvorst · Nach 53 Jahren im Geschäft schließt Marlies Beckers Ende Juli die Gaststätte Beckers an der Gelderner Straße. Ein Stück St. Töniser Kneipengeschichte geht damit verloren.

 Noch steht die 76-Jährige wie immer hinter der Theke. Doch zum Ende des Monats ist für Marlies Beckers Schluss: Dann schließt die Traditionsgaststätte Beckers an der Geldener Straße 26 für immer.

Noch steht die 76-Jährige wie immer hinter der Theke. Doch zum Ende des Monats ist für Marlies Beckers Schluss: Dann schließt die Traditionsgaststätte Beckers an der Geldener Straße 26 für immer.

Foto: WOLFGANG KAISER

Noch ist Marlies Beckers mittendrin. Wie jeden Tag seit einem halben Jahrhundert - außer mittwochs - steht die 76-Jährige hinter der Theke. Über ihrem Kopf hängt ein Schild auf dem steht: "He stont die, die ömmer he stont." Einer der zahlreichen Stammgäste hat Marlies Beckers das Schild mit dem Spruch, der so gut passt, wie kaum ein anderer, vor Jahren geschenkt.

Schon bald wird die Wirtin der Gaststätte Beckers an der Gelderner Straße 26 das Schild abnehmen. Auch die Theke wird verschwinden, die Tische und Stühle, die gesammelten Bierkrüge mit den Deckeln, in denen die Gäste früher, bevor es Flaschenbier gab, noch ein Frischgezapftes mit nach Hause nahmen. Und auch die Holzvertäfelung, aus der auch nach einem Jahr Rauchverbot in Kneipen immer noch Nikotinduft strömt, kommt weg. "Wir bauen die Gaststätte zu einer ebenerdigen Wohnung für mich um", sagt Marlies Beckers und schaut dabei schon jetzt ein bisschen wehmütig.

So richtig kann sie sich noch nicht vorstellen, wie das sein wird, nicht mehr jeden Vormittag von 11 bis 13 Uhr und nicht mehr jeden Abend von 18 bis 24 Uhr an der Theke zu stehen, den Gästen das Bier zu bringen, ein Schwätzchen zu halten, Neuigkeiten auszutauschen. "Hätte mir zum Jahresanfang jemand gesagt: 'Du machst die Kneipe zu', hätte ich das nicht geglaubt", sagt die Wirtin. Aber vor ein, zwei Monaten hätten die Beine begonnen zu schmerzen. So stark, dass Gehen und Stehen an manchen Tagen kaum noch auszuhalten sei. "Der Körper macht nicht mehr mit", sagt die Seniorin.

53 Jahre lang hat Marlies Beckers in der Gaststätte Beckers gearbeitet. Die Schwiegereltern haben das St. Töniser Wirtshaus aufgebaut. "Ich bin eigentlich gelernte Friseurin", erzählt die 76-Jährige. Als aber der Schwiegervater erkrankte, war klar, dass die Schwiegertochter einspringt. 35 Pfennig habe damals das Glas Bier gekostet. Heute kostet es bei Beckers 1,40 Euro. Während ihr Mann Gerhard als Klempner gearbeitet hat, haben Marlies Beckers und ihre Schwiegermutter das Wirtshaus geführt. Sohn Ulrich wuchs förmlich in der Kneipe auf. Heute sind auch die mittlerweile erwachsenen Enkelkinder Petra, Nicole und Christoph oft in der Kneipe und gehen der Großmutter zur Hand.

Die ganz großen Zeiten hat die Gaststätte hinter sich. "Früher hatten wir hier eine Kegelbahn und Gesellschaften mit bis zu 80 Gästen", erinnert sich die Wirtin. "Wenn die Männer freitags die Lohntüte bekamen, kamen sie hier her, um ein Feierabendbier zu trinken." Da es bei Beckers keine Küche gab, brachten die Ehefrauen den Männern manchmal sogar die Suppe im Eimerchen in die Kneipe. Es gab einen Stammtisch, eine Skatrunde und später einen Knobeltisch. Hatten die Gastwirte - Gerhard Beckers stieg als Rentner mit ein - einen runden Geburtstag zu feiern, gab es Freibier für alle.

Als Anwohner sich wegen des Lärms beschwerten, wurde die Kegelbahn zum Schießstand für die Schützen umgebaut. Dann kamen die vielen TV-Sender und die 0,8 Promille-Grenze. Da blieben die Gäste lieber zu Hause und tranken ihr Bier vor dem Fernseher. Manche Stammgäste starben, und junge Leute kamen nicht nach. "Die ganze Kneipenkultur geht ein", sagt die Wirtin. "Als ich 1962 hier anfing, gab es bestimmt 50 Kneipen in St. Tönis, heute sind es vielleicht noch fünf."

(WS03)
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