Tönisvorst "Mama und Papa Deutschland"

Tönisvorst · Das Ehepaar Sutter aus Tönisvorst hat die Patenschaft für eine Flüchtlingsfamilie aus Syrien übernommen. Alle Beteiligten sind sich einig, dass dieses Engagement ihr Leben bereichert.

 Pateneltern und die Flüchtlingsfamilie aus Aleppo haben sich gefunden und empfinden ihr Miteinander als Bereicherung. (von links.) Herbert Sutter, Sulaiman Belat, Jakob, Mohamat, Ollam Haten und Trude Sutter.

Pateneltern und die Flüchtlingsfamilie aus Aleppo haben sich gefunden und empfinden ihr Miteinander als Bereicherung. (von links.) Herbert Sutter, Sulaiman Belat, Jakob, Mohamat, Ollam Haten und Trude Sutter.

Foto: KAISER

Das hätte Trude Sutter sich nicht träumen lassen. "Es ist, als hätten wir noch zwei Enkelkinder hinzubekommen", sagt die 68-Jährige. Auch ihr Mann Herbert sieht das so. Zwar sprechen die beiden Jungs noch nicht die gleiche Sprache wie das Ehepaar Sutter, aber ins Herz geschlossen haben die Senioren und die Kinder sich gegenseitig schon längst. Und nicht nur das, auch die Eltern von Jakob und Mohamad, Ozlan Haten und Sulaiman Belal, gehören zur Familie.

Sowohl die Belals als auch die Sutters sagen, dass sie von der Patenschaft profitieren und dass sie ihr Leben reicher mache. Dabei wären die Senioren und die junge Familie sich unter normalen Umständen nie begegnet, denn die Belals stammen aus der 4000 Kilometer entfernten syrischen Stadt Aleppo. Aber das Schicksal hat sie zusammen geführt und darüber sind alle, trotz der traurigen Umstände, glücklich.

Alles fing damit an, dass Trude und Herbert Sutter beschlossen, Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten, zu helfen. "Die Schicksale der vielen Flüchtlinge haben uns betroffen gemacht", erzählt Herbert Sutter. "Wir dachten: Uns geht es gut, unseren Kindern und Enkeln geht es gut, wir wollen denen helfen, denen es nicht so gut geht." Also wandten sich die Senioren an die Flüchtlingshilfe Tönisvorst. "Wir haben gesagt, wir würden gerne eine Familie mit Kindern betreuen", erzählt Trude Sutter.

Kurze Zeit später wandte sich auch der Familienvater Sulaiman Belal an die Flüchtlingshilfe. "Ich wollte Kontakt zu Deutschen haben, weil wir das hier alleine nicht schaffen", sagt der 34-Jährige, der mit seiner Frau und den beiden kleinen Jungen seine Heimatstadt Aleppo im Januar 2016 verlassen hat. Über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Kroatien, Slowenien und Österreich ging die abenteuerliche Flucht, die alle Ersparnisse des gelernten Malers und seiner Frau verschlungen hat, weil Tickets gekauft werden mussten und an fast jeder Grenze ein Beamter die Hand aufhielt, wie Sulaiman Belal berichtet.

Im August schließlich, nach achtmonatiger Odyssee, wurde die syrische Familie der Stadt Tönisvorst zugewiesen. Verwandte oder Freunde haben sie hier nicht. "Meine Geschwister sind aber auch in Deutschland", erzählt der junge Mann, der sehr fleißig deutsch lernt. Die alten Freunde aus Aleppo seien hingegen weltweit verstreut. Als die Sutters die Belals zum ersten Mal besuchten, verstanden sie sich auf Anhieb. Berührungsängste gab es auf beiden Seiten nicht. "Wir wurden herzlich aufgenommen und waren uns gleich sympathisch", schildert Trude Sutter die erste Begegnung. Während Herbert Sutter hauptsächlich dabei hilft, Formulare auszufüllen, dem siebenjährigen Mohamad den Start in der Grundschule zu erleichtern, für den dreijährigen Jakob einen Kindergartenplatz zu finden und Sulaiman Balal ein Praktikum als Maler zu besorgen, backen und kochen die Frauen zusammen, erzählen und spielen mit den Kindern. "Das sind Mama und Papa Deutschland", sagt die 29-jährige Ozlan Haten und blickt die Sutters dankbar an.

Für das Tönisvorster Ehepaar war es selbstverständlich, dass die Familie Belal, für die sie die Patenschaft übernommen haben, St. Martin, Nikolaus und Weihnachten mit den Sutters, ihren Kindern und Enkeln zusammen feiert. Und obwohl die Belals Moslems sind, sind sie offen für christliche Feste und Bräuche. Im Bekanntenkreis der Sutters hingegen stößt die Patenschaft auf ein geteiltes Echo. "Es kann nicht jeder verstehen, dass wir uns so um Fremde kümmern", sagt Trude Sutter, "aber ich denke immer: Wenn es uns hier so schlecht gegangen wäre, dass wir woanders hin gemusst hätten, wären wir auch dankbar gewesen, wenn da Menschen sind, die uns helfen, zurechtzukommen."

Außerdem, fügt Herbert Sutter hinzu, sei das Engagement eine Win-Win-Situation: "Wir bekommen so viel zurück und haben Freude daran zu sehen, dass die Familie weiter kommt und dass Vieles schon gut läuft." Einen Wunsch für 2017 hat Herbert Sutter aber noch: "Wir sind auf der Suche nach einer kleinen Wohnung für Sulaiman, Ozlan und die Kinder. Es wäre toll, wenn sich ein Vermieter findet."

(WS03)
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