Tönisvorst Martinszug hat lange Tradition in St. Tönis

Tönisvorst · Wenn heute und morgen die St. Töniser Kinder durch den Ort ziehen, folgen sie einem mehr als hundert Jahre alten Brauchtum. Der St. Martinsumzug in St. Tönis ist einer der ältesten am Niederrhein.

Der Martinsumzug 2011 in St. Tönis: Heinz Kämmer schlüpfte damals zum 18. Mal in die Rolle des St. Martin, der auf einem weißen Schimmel als römischer Soldat dem Zug voranreitet.

Der Martinsumzug 2011 in St. Tönis: Heinz Kämmer schlüpfte damals zum 18. Mal in die Rolle des St. Martin, der auf einem weißen Schimmel als römischer Soldat dem Zug voranreitet.

Foto: WOLFGANG KAISER

Der Begriff Tradition ist im Rheinland etwas überstrapaziert, denn es gilt: Wenn etwas dreimal stattgefunden hat, hat es Tradition. Wenn es aber um das St. Martins-Brauchtum in St. Tönis geht, dann kann man mit Fug und Recht von einer langen Tradition sprechen. So schrieb der Krefelder Carl Rudolf Vogelsang bereits am 10. November 1833 in sein Tagebuch: "Mit Bruder Wilhelm, Lisette und Vater nach St. Tönis, wo ich Abends überrascht wurde durch die Feyer des St. Martin, denn es waren dort weit über 100 Kinder, mit Leuchten auf langen Stöcken, die durch die Stadt zogen mit dem Gesang: 'Zim Zim Meerten, sind die Kuchen bald gahr?'"

Dieser Text, der im Stadtarchiv Krefeld aufbewahrt wird, ist der erste urkundlich belegte Bezug auf einen "wenn auch noch ungeordneten Martinszug in St. Tönis", weiß Rolf Schumacher, Ehrenvorsitzender des örtlichen Heimatbundes. Und Schumachers Recherchen aus den 1990er Jahren haben noch weitere Daten an den Tag gebracht, die im Heimatbrief vom November 1993 nachgelesen werden können: Demnach gab es 1881 den Beschluss, einen geordneten Umzug zu Ehren des Heiligen Martinus zu schaffen. Schon 1882 wurde der Beschluss in die Tat umgesetzt. "Damit hat St. Tönis wohl einen der ältesten Martinsumzüge am Niederrhein", sagt Schumacher.

Leiter des ersten Martinszuges war Hauptlehrer Krüll. So lässt sich in der St. Töniser Schulchronik aus dieser Zeit nachlesen: "Das Martinsfest wurde in diesem Jahr zur großen Freude der Kinder und Eltern festlicher begangen denn je. In frühen Jahren sah man an diesem Abende nur einen ungeregelten Haufen von Kindern jeden Alters schreiend und lärmend umherziehen." Nun sorgte der Schulmeister mit einem Kollegen für Ordnung. Auch eine Musikkapelle begleitete den Zug, der von Jahr zu Jahr wuchs und - auch dank der Gründung eines Martinskomitees im Jahr 1884 - um die ein oder andere Attraktion reicher wurde.

So gab es 1893 zum ersten Mal ein Feuerwerk nach dem Umzug, 1902 bekamen alle Kinder "Weckpuppen" und 1904 ritt erstmals ein St. Martin in "prächtigem Kostüm auf einem Schimmel", wie der Chronist vermerkt, dem Zug voran. Nach einer Pause während des Ersten Weltkriegs wurde die Tradition 1919 wieder aufgenommen. 1921 spendeten Landwirte zehn Zentner Weizen, die es dem Martinskomitee möglich machten, allen teilnehmenden Kindern einen frisch gebackenen "halbpfündigen Martinsmann" zu schenken. Die Martinsszene, noch heute der Höhepunkt des Umzugs, kam übrigens erst 1932 hinzu, damals noch auf dem Friedrichsplatz.

Dort sollte auch das Martinsdenkmal, das die Künstlerin Loni Kreuder entworfen hat, zunächst seinen Platz bekommen. Tatsächlich aber wurde das Denkmal am 10. November 1994 auf dem Alten Markt nahe der Pfarrkirche eingeweiht. Der Heimatverein St. Tönis hat dafür stolze 167.200 Mark gesammelt. Etliche private Spender, ortsansässige Unternehmer, Firmen, Banken und Handwerker haben das Denkmal mitfinanziert, das bis heute nichts von seinem Charme eingebüßt hat.

(WS03)
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