Tönisvorst St. Tönis ist eine "tolle Gemeinde"

Tönisvorst · Pfarrer Renz Schaeffer geht Ende des Monats offiziell in den Ruhestand - bleibt aber in Tönisvorst. Sein Lieblingswort aus der Bibel "Gottes Kraft ist in den Schwachen mächtig" (2. Korinther 12, 9) begleitet den Theologen auch weiter.

 Pfarrer Renz Schaeffer wirkte über drei Jahrzehnte in der Christuskirche. Im Hintergrund sind Handwerker dabei, die Wand mit dem Durchbruch zum neuen Gemeindezentrum zu streichen. Sein altes Pfarrhaus musste dafür weichen.

Pfarrer Renz Schaeffer wirkte über drei Jahrzehnte in der Christuskirche. Im Hintergrund sind Handwerker dabei, die Wand mit dem Durchbruch zum neuen Gemeindezentrum zu streichen. Sein altes Pfarrhaus musste dafür weichen.

Foto: W. KAISER

Ende des Monats wird der 65-Jährige in der Christuskirche "entpflichtet". Über 34 Jahre war Renz U. Schaeffer dann Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde St. Tönis - nach seinem Vikariat in Waldniel seine erste und einzige Stelle. Heute sagt er im Rückblick: "Ich glaube, ich war als junger Pfarrer unausstehlich." Seine Idee, dass alle die "Dritte Welt" lieben müssten, sei sicher eine Zumutung für die Gemeinde gewesen. Dieser Anspruch wäre ihm heute viel zu "moralingetränkt".

Allerdings war es genau die Eine-Welt-Idee, die Schaeffer zum Theologiestudium geführt hat. Aufgewachsen in Rheinhausen wurde er Anfang der 60er Jahren von zwei linken Pfarrern geprägt, die es sogar in den "Stern" und "Spiegel" gebracht haben. Heute sieht er solche Ideen eher altersmild. Er hat gemerkt, dass viele Weltverbesserer auch nur mit Wasser kochen. Trotzdem ist er froh und glücklich, dass die Evangelische Kirchengemeinde bis heute eine Partnerschaft mit einer evangelischen Berufsschule in Tabuk auf den Philippinen unterhält. Die Schule trägt heute den Namen Saint Tonis College.

Neben der Theologie hat Schaeffer auch Sozialarbeit studiert. Nach dem Studium ging er für ein Jahr in die USA und lernte in San Francisco das, was die Amerikaner "Community Organizing" nennen. Er arbeitete bei einer Bürgerrechtsorganisation, die es heute gar nicht mehr gibt. Amerika sei sehr schnelllebig, da werde vielfach in Moden und Trends gedacht. Geholfen hat ihm die Erfahrung, wie man eine Gemeinschaft aufbaut, dann auch als Pfarrer. In San Francisco ging es um die Veränderung der Städte, etwa durch den Zuzug von Migranten. Die Kirchen griffen dort die Probleme der Stadtteile auf. Damals ging es aber auch um Themen, die auch heute noch aktuell sind, etwa "Dog shit" (Hundehaufen) oder die Umstrukturierung ("Gentrifizierung") von Stadtteilen. So kauften sich die Reichen im Beatnik- und Hippieviertel Haight Ashbury ein und vertrieben die bisherige Bevölkerung. Das Viertel mit den kleinen victorianischen Gebäuden war besonders bei Künstlern beliebt, an jeder zweiten Ecke roch es nach Hasch.

Nach der Metropole am Pazifik wurde Schaeffer vom Landeskirchenamt erst einmal "aufs Land verschickt", nach Waldniel. Und nach dem Vikariat konnten sich die Anwärter auf einer Dringlichkeitsliste eine Stelle aussuchen. Für ihn stand Oberhausen-Königshardt an, aber dem "Rheinhausener Jung" stand nicht der Sinn nach noch mehr Ruhrgebiet. So kam er nach St. Tönis - das bis dato für ihn völlig unbeschrieben war. Er hat es nie bereut - schließlich ist er ja auch geblieben.

Heute sagt er, St. Tönis sei eine "tolle Gemeinde", und bekennt, dass es ihm vor dem Abschied ein wenig grause. Es sei grandios, wieviel ehrenamtliches Engagement in dieser Gemeinde geleistet werde. Das schlimmste Erlebnis in seiner Dienstzeit war der Tod zweier Bundeswehrsoldaten, die auf der Heimfahrt von der Kaserne in Budel in den Niederlanden nach St. Tönis in einen Kanal fuhren und ertranken. Schlimm war auch die VHS-Podiumsdiskussion in der Kirche mit dem WDR-Nighttalker Domian, der das Buch "Interview mit dem Tod" herausgegeben hatte. In der Diskussion sei Schaeffer regelrecht niedergemacht worden, er sei wie ein begossener Pudel rausgegangen. Für ihn sei enttäuschend gewesen, wie ideologisch Domian etwa zum Thema Bibel argumentiert habe.

Als Pastor sei er "mit Leib und Seele" dabei gewesen. Auch heute würde er wieder Theologie studieren. Seine Doktorarbeit bleibt wohl ungeschrieben, nachdem sein Professor in Erlangen vor 14 Tagen gestorben ist. Die Idee, die ihm beim Studium in Hamburg gekommen war, drehte sich um architektonische Gemeinsamkeiten von protestantischen Kirchen und Theatern mit bezahlten Logen. Vielleicht interessiert ihn aber auch der Synkretismus der Weltreligionen mehr. Für ihn rührt der Streit mit dem Islam aus der Familienähnlichkeit mit dem Christentum.

(RP)
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