Serie Zu Gast . . . In Der Fahrschule Für Lastkraftwagen Unterwegs mit dem König der Straße

Tönisvorst · Die Serie entführt an ungewöhnliche Orte. Heute geht es um den Führerschein für Busfahrer und das Fahren eines 40-Tonners.

 Fahrlehrer Stephan Heigenfeld passt auf, dass RP-Mitarbeiterin Stephanie Wickenrath mit dem zwölf Meter langen Bus alles richtig macht. Gut, dass nicht auch noch 80 lärmende Schulkinder mit im Bus fahren.

Fahrlehrer Stephan Heigenfeld passt auf, dass RP-Mitarbeiterin Stephanie Wickenrath mit dem zwölf Meter langen Bus alles richtig macht. Gut, dass nicht auch noch 80 lärmende Schulkinder mit im Bus fahren.

Foto: WOLFGANG KAISER

TÖNISVORST So fühlt es sich also an, wenn der Motor 420 PS hat. Gut, ein Rennwagen hat bestimmt noch ein Drittel mehr, aber die Fahrzeuge, mit denen ich sonst unterwegs bin, können da nicht mithalten. Außerdem wiegt das Teil, das ich heute steuern darf, 40 Tonnen. Um in das Fahrerhaus zu kommen, muss ich sage und schreibe fünf Stufen hochsteigen. Dafür schwebe ich aber auch 2,50 Meter über der Straße.

Diese "King oft the road"-Position hat allerdings einen großen Nachteil, wie ich schnell feststellen muss: Ich kann überhaupt nicht sehen, ob jemand oder etwas direkt vor meinem Lastwagen steht. Die Frontscheibe ist überhaupt erstaunlich klein. Auch nach hinten kann ich gar nichts sehen, außer einer stoffbezogenen Wand. "Deshalb haben wir ja so viele Außenspiegel", sagt Richard Haigh, seit mehr als 20 Jahren Fahrlehrer, früher bei der Bundeswehr für Panzer, heute hauptsächlich für Lastkraftwagen beim BZ-Bildungszentrum am Tempelsweg in Tönisvorst.

Mit dem erfahrenen Fahrlehrer auf dem Beifahrersitz drehe ich ganz entspannt ein paar Runden auf dem großen Übungsplatz des BZ. Richard Haigh erklärt mir begeistert die vielen technischen Extras, über die der hochmoderne 40-Tonner verfügt: Anfahrtshilfe, Spurassistent, Bremsassistent, diverse Hydraulikpumpen und natürlich die Möglichkeit, die Navigation oder das Radio mit den Schaltern am Lenkrad einzustellen, zu telefonieren, eine CD zu starten. Da ich diesbezüglich allen Vorurteilen über Frauen und Technik entspreche, hält sich mein Interesse an den vielen Knöpfen - pardon: Schaltern in Grenzen. Stattdessen freue ich mich darüber, wie einfach es ist, den dicken Brummi zu fahren. Wenn ich mich auch sehr klein fühle angesichts der Lastwagenmaße.

Als Richard Haigh mich dann rangieren lässt und ich merke, wie lang der Lastwagen wirklich ist und wie knapp ich gerade mit dem Heck an dem anderen Fahrzeug vorbeigeschrappt bin, ändere ich meine Meinung und stiege auf den Bus um, der hat zwar nur 350 PS, dafür ist er aber auch nur zwölf Meter lang. Empfangen werde ich von Fahrlehrer Stephan Heigenfeld. Kaum habe ich auf dem sehr bequemen, sofaweichen Sitz mit der tollen Federung Platz genommen und mich über die schöne große Frontscheibe gefreut, fordert der Fahrlehrer mich auf, den Sitz so weit nach vorne zu schieben, bis meine Füße richtig gut an Brems-, Gas- und Kupplungspedal kommen. Wenig ladylike sitze ich jetzt sehr breitbeinig mit einem riesigen Lenkrad im Schoß auf dem Fahrersitz. Interessanterweise sitzt der Busfahrer vor der Achse, die Vorderreifen hat er weit hinter sich. Diese ungewohnte Fahrerposition wird mir bewusst, als ich möglichst nah an die Bordsteinkante fahren soll. Während ich denke, dass ich längst drüber bin, versichert Stephan Heigenfeld mir, dass die Räder noch einen Meter von der Kante entfernt sind. Jetzt weiß ich, warum die Busfahrer mit dem Vorderteil des Busses immer so weit in die Verkehrsinseln reinfahren.

Auch der Bus lässt sich gut fahren, er läuft ruhig und gleitet sanft über den Asphalt. Außerdem macht es Spaß, die Türen zu öffnen und zu schließen, die Feststellbremse zischen zu lassen, das Seitenfenster runterzufahren, an der Sonnenblende zu ziehen, das Riesenlenkrad zu drehen und den wirklich sehr langen Schalthebel zu bedienen. Sollte die Zeitung mich nicht mehr brauchen, könnte ich auch Busfahrerin werden, denke ich so, bis ich mir vorstelle, mit dem Bus und 80 lärmenden und raufenden Schulkindern drin durch den Berufsverkehr zu fahren. Und plötzlich, viele Jahre zu spät, verstehe ich, warum die Schulbusfahrer meiner Jugend manchmal ziemlich gereizt auf uns reagiert haben.

(WS03)
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