Niederkrüchten 325 Jahre Kevelaer-Wallfahrt

Niederkrüchten · Alljährlich pilgern Gläubige aus Niederkrüchten zu Maria, der "Trösterin der Betrübten". Freitagfrüh machen sich 90 Wallfahrer zu Fuß und mit dem Fahrrad wieder auf den Weg. Uns haben sie erzählt, warum sie das tun.

 Brudermeister Gerhard Liedtke zeigt die Plaketten für die Teilnehmer: Vorn ist die Kirche St. Bartholomäus Niederkrüchten zu sehen, hinten Maria.

Brudermeister Gerhard Liedtke zeigt die Plaketten für die Teilnehmer: Vorn ist die Kirche St. Bartholomäus Niederkrüchten zu sehen, hinten Maria.

Foto: Knappe

Wenn morgens der Nebel zwischen Laar und Born aufsteigt und die Sonne durchkommt, dann lässt Gerhard Liedtke den Blick über die Gruppe schweifen, über die Wiesen rund um Born. Er geht ganz hinten, so hat er immer alle im Blick. Voran trägt einer das Kreuz, die Vorbeter folgen. "Das ist sehr schön", sagt Liedtke.

Der 76-Jährige ist Brudermeister der Niederkrüchtener Kevelaerpilger. Seit mindestens 325 Jahren gehen Gläubige aus Niederkrüchten nach Kevelaer, um dort Maria, die "Trösterin der Betrübten", um Beistand zu bitten. 1692 geschah ein Wunder: Die seit sieben Jahren gelähmte Maria Gerets aus Niederkrüchten wurde von den Teilnehmern einer Prozession auf einem Karren mit nach Kevelaer genommen. Dort wurde sie geheilt.

 "Trösterin der Betrübten, bitte für uns" steht über dem Gnadenbild, das 1642 in den Bildstock in Kevelaer eingesetzt wurde. Eine in Rom gesegnete Kopie ist am Wochenende in der Kirche St. Bartholomäus in Niederkrüchten zu sehen.

"Trösterin der Betrübten, bitte für uns" steht über dem Gnadenbild, das 1642 in den Bildstock in Kevelaer eingesetzt wurde. Eine in Rom gesegnete Kopie ist am Wochenende in der Kirche St. Bartholomäus in Niederkrüchten zu sehen.

Foto: RP-Archiv

Vielleicht zogen schon früher Niederkrüchtener nach Kevelaer, doch das lässt sich nicht belegen. Im Juni 1642 war das kleine Luxemburger Marienbildchen in den Bildstock eingesetzt worden, den der Händler Hendrick Busman gebaut hatte. Er hatte mehrfach eine Stimme vernommen, die ihn aufforderte: "An dieser Stelle sollst du mir ein Kapellchen bauen." 1654 wurde rund um den Bildstock die sechseckige Gnadenkapelle gebaut. In den Folgejahren zog Kevelaer immer mehr Gläubige an, heute kommen rund eine Million Menschen pro Jahr.

Einige von ihnen kommen aus Niederkrüchten: Rund 90 sind es in diesem Jahr, die sich am Freitag auf den Weg machen. 16 von ihnen fahren mit dem Rad. Brudermeister Liedtke ging 1958 erstmals mit, da war er 17 Jahre alt. Verwandte hatten ihm gesagt: "Das nächste Mal gehst du mit" - und Liedtke ging mit, Jahr für Jahr, selbst in dem Jahr, in dem er einen Bandscheibenvorfall erlitt. Einige Jahre war er nicht dabei, seit 1980 hat der Gützenrather aber kein Jahr mehr ausgelassen. Warum? "Man ist in einer Gemeinschaft Gleichgesinnter", sagt er. "Im Beruf muss man schon mal gegeneinander kämpfen, aber bei einer Wallfahrt gibt es ein Ziel, das alle gemeinsam erreichen wollen."

Seine Gruppe hält der Brudermeister unterwegs zusammen. Von Niederkrüchten geht es über Gützenrath, Laar und Born in Richtung Alst, vorbei am Brachter Friedhof und weiter in Richtung Natt. Über Baerlo erreichen die Pilger Leuth, wo es ein Frühstück gibt. Dann ziehen sie weiter, betend, singend, schweigend - vorbei am Schwarzen Herrgott an der B 221. Durch Alt-Broekhuysen gehen sie in Richtung Straelen, dort gibt es ein Mittagessen. Und wenn es mittags auf dem Weg richtig heiß werden kann, schlagen die Pilger den Bogen über Auwel-Holt und Walbeck, um schließlich wieder zur B 221 zurückzukehren. Auf dem Radweg entlang der Straße gehen sie weiter bis Kevelaer.

Wenn sie dort angekommen sind, liegen rund 50 Kilometer hinter ihnen. Vielleicht hat der ein oder andere Pilger eine Stunde im Begleitfahrzeug gesessen und sich fahren lassen, weil die Füße nicht mehr wollten. "Das ist nicht schlimm, es geht ja nicht um sportliche Höchstleistungen", sagt Petra Bruckes. "Und wenn einer schlapp macht, hat irgendjemand einen Riegel Schokolade oder eine Banane."

Die 57-Jährige nahm 1974, im Alter von 14 Jahren, erstmals an der Wallfahrt teil, weil ihr Vater den Trecker zur Verfügung stellte, der das Begleitfahrzeug zog. Seitdem ist Bruckes immer wieder mitgegangen. "Sobald man in dieser Gruppe ist, kann man sofort abschalten", hat sie erfahren. "Man denkt überhaupt nicht mehr darüber nach, was man heute hätte tun müssen oder tun können." Sie schwärmt von der tollen Gemeinschaft, von dem erhebenden Gefühl, wenn die Pilger zum Einzug in Kevelaer "Gegrüßet seist du, Königin" singen. Seit fünf Jahren geht auch ihre Tochter Tanja (29) mit. "Vor vielen Jahren hat sie mich für verrückt erklärt, dass ich jedes Jahr nach Kevelaer gehe", sagt Bruckes und lacht. "Dann ist sie selber mitgegangen und war begeistert."

Anne Gotzen aus Laar pilgert jetzt im vierten Jahr nach Kevelaer. 2014 habe ihr Vater gefragt, ob sie mitgehen wolle, berichtet die 24-Jährige. "Ich habe Ja gesagt. Zum Glück, denn das ist wirklich eine super Sache", sagt sie. Der Grund: "Man nimmt immer etwas mit und kommt gestärkt zurück. Ich zum Beispiel habe gerade das Staatsexamen in Jura bestanden, dafür bin ich dankbar."

Auch Hildegard Oelers (49) hat die Erfahrung gemacht, dass die Wallfahrt nach Kevelaer Kraft gibt. Etwa 25 Mal war sie dabei, in diesem Jahr kam der Urlaub dazwischen. "Aber 2018 bin ich definitiv wieder dabei", kündigt die Niederkrüchtenerin an. "Wenn man einmal vom Kevelaer-Virus infiziert ist, kann man gar nicht anders. Ich werde sicherlich in Gedanken jeden Meter mitgehen."

(RP)
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