Kreis Viersen Ärger um Gaspreis-Politik der NEW

Kreis Viersen · Profitieren Kunden nicht von gesunkenen Einkaufspreisen für Öl und Gas? Viele wundern sich, weil die NEW derzeit mit Gas zum Festpreis zu Konditionen von Ende 2013 wirbt. Diese sagt: Das Produkt lässt steigende Netzentgelte außen vor.

Michael Duisberg (li.) ist einer von mehreren RP-Lesern, die Unmut über die NEW äußern. Deren Geschäftsführer Ralf Poll hält dagegen.

Michael Duisberg (li.) ist einer von mehreren RP-Lesern, die Unmut über die NEW äußern. Deren Geschäftsführer Ralf Poll hält dagegen.

Foto: Keystone, KN, NEW

Wie Werbeexperte Michael Duisberg geht es dieser Tage etlichen NEW-Kunden. Der Geschäftsführer einer Agentur bezog bisher unter dem Namen "NEWgas-2014" Gas zum Festpreis, nun flatterte ihm das Angebot ins Haus, "zu unveränderten Konditionen" für zwei weitere Jahre das Folgeprodukt "NEWgas2016" zu beziehen. "Das hat mich stutzig gemacht, denn seit Dezember 2013, dem Beginn von NEWgas2014, ist der Heizölpreis laut meiner Recherche um mehr als 30 Prozent gefallen", sagt Duisberg (die NEW spricht von 25 Prozent im Mittel). In der Vergangenheit habe die NEW steigende Gaspreise stets mit der Kopplung an die Heizölpreise begründet, nun jedoch habe man ihm an der Hotline mitgeteilt, die Heizölpreisbindung sei aufgehoben. Duisbergs Schlussfolgerung: "Wenn die Heizölpreise fallen, duckt sich die NEW vor einer Senkung der Gaspreise weg." Und mehr noch: Die Kundenberatung habe ihm empfohlen, die Antwortpostkarte nicht zurückzuschicken, sondern das Gas auf der NEW-Website zu buchen. Dort zahle er nicht 5,88 Cent pro Kilowattstunde wie beim angebotenen NEWgas2016, sondern nur 4,74 Cent. Dieser Preis gelte dann immerhin für ein Jahr.

Der Energieversorger bestätigt Duisbergs Beobachtungen, zieht daraus jedoch andere Schlussfolgerungen. So sei die zuvor lange gültige Heizölpreisbindung tatsächlich aufgehoben worden, allerdings bereits Ende 2010 - weil sich zum einen auch die Gasbeschaffung zugunsten von Bezugsverträgen ohne Ölpreisbindung verändert habe. "Und die in den Sonderverträgen enthaltenen Preisänderungsklauseln mit Ölpreisbindung wurden von Gerichten vielfach als nicht zulässig angesehen", sagt Ralf Poll, Geschäftsführer der Energie- und Wassersparte des Versorgers. In der Tat kippte der Bundesgerichtshof die alleinige Ölpreisbindung mit einem Grundsatzurteil im Frühjahr 2010.

Poll sagt: Die Abschaffung der Ölpreisbindung habe für Kunden Vorteile gehabt. "Seit Ende 2010 sind die Heizölpreise zwischenzeitlich um rund 40 Prozent gestiegen und befinden sich aktuell wieder nahezu auf dem Stand von 2010", sagt Poll. "Die massiven Heizölpreissteigerungen der Vergangenheit haben wir folglich nicht an unsere Kunden weitergeben müssen, so dass entsprechende Senkungen bei den Heizölpreisen auch nicht sinkende Gaspreise bedeuten." Darüber hinaus basiere die Gasbeschaffung auf langfristigen Lieferverträgen, so dass kurzfristige Preisschwankungen der Börse nicht an die Kunden weitergegeben werden könnten. "Trotz der zwischenzeitlich gefallenen Heizölpreise ist die Gasheizung immer noch die günstigere Variante", sagt Poll weiter.

Und welche Vorteile soll dann ein Produkt wie NEWgas2016 bieten? Es beinhalte eine Preisgarantie, die - außer Steuern - alle Preiskomponenten einschließe, nicht nur die Beschaffungs- und Vertriebskosten, sagt Poll. Etwa Netzentgelte, und die "für Gas werden zum Januar 2016 voraussichtlich steigen. Im Gegensatz zu den meisten Gaslieferverträgen werden diese Preissteigerungen bei NEWgas2016 nicht an den Kunden weitergegeben." Laut Bundesnetzagentur betrug der Anteil der Netzentgelte am Gaspreis für Haushalts- und Gewerbekunden (zum 1. April 2014) jeweils rund 20 Prozent, für Industriekunden sieben. Und: Prinzipiell seien online abgeschlossene Produkte mitunter günstiger, da die Kommunikation vorzugsweise über Online-Kunden-Center oder per E-Mail erfolgt und damit ein geringerer Service-Aufwand verbunden ist, sagt Ralf Poll weiter.

Noch Mitte Juni hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) in einer Studie kritisiert, dass die Kunden nur unzureichend von den gesunkenen Öl- und Gaspreisen profitierten. Statt einem zu erwartenden Rückgang um 13,80 Euro habe der Gaspreis im Januar 2015 etwa nur um 1,20 Euro nachgegeben. Und: Schon Ende 2014 hieß es in einem Gutachten für die Bundestagsfraktion der Grünen, die Gaswirtschaft habe ihren Profit massiv gesteigert, anstatt die im Jahresmittel um acht Prozent niedrigeren Einkaufspreise an die Kunden weiterzugeben. "Wenn nicht im Laufe der nächsten Monate eine Preissenkung angekündigt ist, sollte man einen Wechsel seines Versorgers in Betracht ziehen", sagte Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestags, seinerzeit der "FAZ".

Jahrelang hatte sich die damalige NVV, wie auch andere Versorger, auf die Heizölpreisbindung bezogen - und auch dementsprechend flammend dafür argumentiert. "Würde die NVV jetzt den Gasvertrag revidieren und einen Festpreis für mehrere Jahre mit RWE abschließen, besteht die Gefahr, dass bei wieder sinkenden Heizölpreisen das Erdgas der NVV nur mit Verlust wettbewerbsfähig am Wärmemarkt angeboten werden kann", heißt es etwa in einem Schreiben an den Gladbacher Landtagsabgeordneten Norbert Post aus dem November 2005. Und: "Da die Entwicklung der Heizölpreise sich genauso schwer prognostizieren lässt wie ein Aktienkurs, enthält der Abschluss von Festpreisverträgen demnach Spekulationsrisiken, die wir nicht eingehen wollen und dürfen".

(RP)
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