Kreis Viersen/Krefeld AfD-Bundestagsabgeordneter ruft zum Boykott türkischer Läden auf

Kreis Viersen/Krefeld · Kay Gottschalk bezeichnete türkische Händler als Erdogan-Anhänger. Der Kreisverband distanziert sich von dem Nettetaler, der ruderte gestern zurück

 Kay Gottschalk beim AfD-Neujahrsempfang in Krefeld.

Kay Gottschalk beim AfD-Neujahrsempfang in Krefeld.

Foto: Jens Voss

Begleitet von einer Schar von rund 20 Gegen-Demonstranten hat die Krefelder Alternative für Deutschland (AfD) bei einem Neujahrsempfang am Mittwoch eine Broschüre mit "kommunalpolitischen Leitlinien" vorgestellt und ihr Ziel unterstrichen, in den Kommunalparlamenten stark werden zu wollen. Doch Kommunalpolitik spielte an diesem Abend keine Rolle. AfD-Politiker Kay Gottschalk, via Liste aus dem Kreis Viersen in den Bundestag gewählt, rief zum Boykott türkischer Geschäfte auf. Wörtlich sagte er: "Ich rufe alle Bürger guten Willens auf: Boykottiert die Läden der Türken in Deutschland, denn die fahren zu 70 Prozent auf Erdogan ab."

Ein solcher Boykott-Aufruf ist historisch belastet: Mit dem Aufruf zum Boykott jüdischer Geschäfte begann in Nazi-Deutschland der Holocaust. Fraktionskollege Stefan Keuter beschwichtigte: Man wolle integrierte Türken nicht ausgrenzen, "der Kay" rede sich in Rage. Zuvor hatte Gottschalk den Angriff türkischer Truppen auf Kurden in Syrien kritisiert. Die Kurden hätten gegen den sogenannten Islamischen Staat gekämpft und damit Deutschland sicherer gemacht, sagte er.

Am Tag nach der Veranstaltung zeigte sich der AfD-Politiker reumütig. "Es tut mir sehr leid", sagte Gottschalk, bereits auf dem Weg zurück nach Berlin. Er sei mit dem Gedanken aufgestanden, "Bockmist" gebaut zu haben. Auch in einer Pressemitteilung entschuldigte er sich für seine Aussage, sie sei unsensibel und in dieser Form falsch gewesen.

Gottschalk versuchte zu erklären; er sei fassungslos, dass die Türkei in Syrien Kurden ermorde und keiner etwas tue. Deswegen habe er sich zu der Aussage hinreißen lassen. Es sei sein erster Fehler in fünf Jahren als Politiker gewesen. "Vielleicht habe ich damit eine Diskussion ausgelöst, aber es war der falsche Ansatz", sagte er. Auf die Frage, ob er sich in seiner Position als Bundestagsabgeordneter für die Kurden einsetzen werde, antwortete Gottschalk, er werde "sicherlich irgendetwas tun". Die Kurden würden einen eigenen Staat verdienen, aber die Umsetzung sei schwierig. Er berichtete, für seine Aussage auch vereinzelt Zuspruch erhalten zu haben. Der AfD-Kreisverband Krefeld distanziert sich davon. Man würde "die Aussage Kay Gottschalks (zu Türken)" zutiefst bedauern und verurteilen.

Kritiker der AfD sehen in Gottschalks Verhalten ein Muster und werfen der Partei seit langem Kalkül bei solchen Grenzüberschreitungen vor: Die AfD-Politiker würden solche Formulierungen bewusst wählen, um Ressentiments zu schüren und Anhänger am rechten Rand zu mobilisieren, dann distanziere man sich davon. "AfD-Spitzenpolitiker erregen gern mit extremen Positionen Aufmerksamkeit. Anschließend folgt stets das Dementi: Man sei falsch verstanden worden. Die Masche hat Methode", schrieb etwa die "Zeit" 2016 mit Blick auf Äußerungen von Alexander Gauland, Björn Höcke und Frauke Petry .

Gottschalk bestätigte gestern, ein Büro in Krefeld eröffnen zu wollen. Als Termin dafür sei der 10. Februar vorgesehen.

(emy/vo)
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