Viersen Altes Haus wie neu

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Ein altes Haus erstrahlt in neuem Glanz
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Ein altes Haus erstrahlt in neuem Glanz

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Es hatte schon einmal bessere Zeiten gesehen, das Haus an der Großen Bruchstraße mit dem Terrazzo-Eingang und drei Türen zu den Hausnummern 29 und 31. Erbaut 1908 im Jugendstil, hatte das ehemalige Wohn- und Geschäftshaus des Kaufmanns Julius Mertens über die Jahrzehnte sehr gelitten und seinen Glanz verloren. Viele Originalelemente waren entweder gar nicht mehr vorhanden oder wurden durch andere, minderwertige Materialien überdeckt.

So waren aus den hohen Außenfenstern die abgerundeten Scheiben, die parallel zum Eingangsbereich den Besuchern ein einladendes, harmonisches Stimmungsbild lieferten, herausgebrochen und durch eckige Glasscheiben ersetzt worden. Auch der wunderschöne Terrazzo-Boden, ein wahrer Schatz, war durch andere Bodenbeläge verdeckt und durch einen tiefen Riss entstellt. Das einst stattliche Haus bot einen traurigen Anblick. Es stand trist und grau mit abbröckelndem Fassadenputz da, als Denkmalliebhaber und Projektentwickler Ulf Schroeders es durch einen Zufall entdeckte.

Schroeders Leidenschaft gilt alten Gebäuden mit dem "gewissen Etwas". Er restauriert, renoviert und führt sie einer neuen Bestimmung zu, wie aktuell das alte Klostergebäude der Dülkener Kreuzherrenschule oder das alte Bankhaus in Mönchengladbach. An der Großen Bruchstraße war er sofort Feuer und Flamme. "Das Haus sah sehr heruntergekommen aus. Aber besonders der versteckte Terrazzo-Boden, der zum Vorschein kam, und die runden Glasrahmen haben mich sofort begeistert", sagt der Unternehmer. Für diese speziellen Restaurierungsarbeiten beauftragte er dann auch sogleich Fachleute, die sich der Aufgabe widmeten, alles so weit wie möglich in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.

Arno Cancian ist Terrazzo-Meister in der dritten Generation. Seine Vorfahren kamen als Wanderarbeiter aus Italien - über Belgien und die Niederlande, bis sie in Viersen mit ihrer besonderen Handwerkskunst ansässig wurden. "Alte Terrazzo-Böden sind verbreiteter, als man denkt", erzählt Cancian. "Meistens sind sie unter anderen Bodenbelägen versteckt, und die Eigentümer wissen oft gar nicht, welche Schätze sich unter Laminat und Linoleumplatten verbergen." Der Boden des Hauses an der Großen Bruchstraße war zwar nicht besonders gut, aber auch nicht in einem solch desolaten Zustand, als dass er nicht hätte wiederhergestellt werden können. "Natürlich war das mit viel Aufwand verbunden, vor allem die Risse mussten fein säuberlich mit kleinen Steinchen aufgefüllt und versiegelt werden", sagt der Terrazzo-Meister. Aber es hat sich gelohnt, findet Ellen Westerhoff, Denkmalschutzbeauftragte der Stadt Viersen. "Heutzutage sind diese schönen Böden leider in Vergessenheit geraten", sagt Westerhoff mit Bedauern in der Stimme. "Ich kennen keinen Neubau, in dem Terrazzo-Böden verlegt werden." Die Menschen hätten den Stellenwert dieser Handwerkskunst vergessen, dabei seien hier echte Künstler am Werk, findet die Denkmalschutzbeauftragte.

Auch die Restaurierung der Glasfront war eine echte Herausforderung. "Es war gar nicht so einfach, einen Glaser zu finden, der sich dieser Thematik annehmen wollte", berichtet Schroeders. Da die Einfassung der Scheiben rund angelegt war, wollte der Investor auch wieder Scheiben in der Originalform einsetzen. Industriell sind diese speziellen Rundungen nicht herstellbar. Also musste alles von Hand gefertigt werden. Diese Aufgabe übernahm Glasermeister Helmut Kallen. Er erhitzte gerade Scheiben und bog sie per Hand passgenau. "Das war nicht leicht, es gab auch jede Menge Ausschuss", sagt er. "Denn man muss sich langsam herantasten und die richtige Temperatur für die Hitze finden. Außerdem braucht man jede Menge Fingerspitzengefühl." Aber es habe Spaß gemacht, eine so anspruchsvolle Arbeit zufriedenstellend zu meistern.

Westerhoff ist vom Ergebnis begeistert. "Vorher waren eckige Scheiben lieblos in die runden Holzrahmen eingefasst worden. Der ganze Charme des Hauses ging dadurch verloren", sagt sie. Sie freut sich über den Einsatz des neuen Eigentümers. "Man muss den richtigen Enthusiasmus für die Sache haben, und das ist selten. Manche Eigentümer sehen nicht, welchen Schatz sie besitzen, und es ist auch oft schwer, sie davon zu überzeugen", sagt sie.

Schroeders und die Handwerksmeister sind ebenfalls zufrieden. Das Haus erstrahlt wieder in seinem ursprünglichen Glanz. Beide Ladenlokale sind bereits vermietet: Die Fotografin Ute Gabriel zieht zum 1. September mit einem Fotostudio ein. Zudem hat Nina Häusler sich sofort in das Haus verliebt und beschlossen, ihre ökologischen Kinder- und Baby-Bekleidungs-Artikel, Tragetücher und Accessoires dort anzubieten. Morgen findet von 10 bis 14 Uhr die Eröffnung ihres Geschäfts "Fidelinchen" statt.

Sie hofft, mit ihrem Laden die Große Bruchstraße etwas lebendiger zu machen. "Meine hochwertigen Artikel passen zu dem Jugendstil-Haus mit dem besonderen Flair", sagt die Mutter von vier Töchtern. "Hier bin ich angekommen und fühle mich wohl."

(paka)
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