Viersen Amtsdeutsch - endlich verständlich

Viersen · Die Stadt Viersen plant, Informationen für ihre Bürger künftig auch in so genannter Leichter Sprache anzubieten.Zunächst sollen einzelne Bereiche der städtischen Internet-Seite übersetzt werden. Heute entscheidet der Stadtrat

"Schicken Sie uns sofort Einen Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars, Zur Bestätigung der Nichtigkeit des Durchschriftexemplars, Dessen Gültigkeitsvermerk von der Bezugsbehörde stammt Zum Behuf der Vorlage beim zuständ'gen Erteilungsamt."

Reinhard Mey, aus: "Einen Antrag"

Bitte wundern Sie sich nicht, dass Sie an dieser Stelle persönlich angesprochen werden.

Der Grund dafür: Dieser Text ist in Leichter Sprache verfasst.

Viele Menschen verstehen Leichte Sprache besser.

Zum Beispiel: Ausländer. Oder Menschen mit Lese-Schwäche.

Denn Leichte Sprache erklärt kurz und mit einfachen Worten.

Leichte Sprache hilft so allen Menschen, besonders gut zu verstehen.

Bei Leichter Sprache steht jeder Satz in einer eigenen Zeile.

Binde-Striche machen deutlich, wie sich Wörter zusammensetzen.

Kurzum, und hier verlassen wir den Bereich der Leichten Sprache: Sie ist so ziemlich genau das Gegenteil vom Amtsdeutsch mit seinen Endlosworten und Schachtelsätzen, an deren Ende man den Anfang längst vergessen hat. Die Stadt Viersen will künftig Informationen für ihre Bürger vermehrt in Leichter Sprache bereitstellen. "Konkret soll ein Themenkomplex auf der städtischen Internetseite eingerichtet werden, der die wichtigsten Bürgerinformationen analog zu der vorhandenen Rubrik Bürgerservice A - Z in Leichter Sprache bereitstellt", erklärt Sozialdezernent Paul Schrömbges.

In Deutschland sind Träger öffentlicher Gewalt nach dem Behinderten-Gleichstellungsgesetz verpflichtet, "Informationen vermehrt in Leichter Sprache bereit(zu)stellen", heißt es in Paragraf 11. Was auf der Internetseite des Deutschen Bundestages bereits üblich ist, soll künftig auch auf einzelnen Seiten der städtischen Internetpräsenz zur Regel werden. "Damit kommt die Stadt Viersen nicht nur den Forderungen des Behinderten-Gleichstellungsgesetzes nach, sondern entspricht auch ausdrücklich den Zielen ihres Leitbildes nach einer offenen und verständlichen Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürgern", sagt Schrömbges.

Viersen ist nicht die erste Stadt, die auf ihrer Internetseite auf die Leichte Sprache setzt. Die Stadt Köln informiert beispielsweise über Kita-Gebühren und andere Bürgerthemen zusätzlich auch in leichter Sprache. Die Stadt Neuss hat die Erläuterungen zum Sozialbericht ebenfalls in Leichter Sprache verfasst. Und in der Stadt Wetter (Ruhr) ließen sich städtische Angestellte in Leichter Sprache schulen.

Allerdings: Die politischen Gremien müssen dem Plan noch zustimmen - heute Abend steht das Thema auf der Tagesordnung des Stadtrates (Beginn 18 Uhr, "Forum", Rathausmarkt 2. Die Sitzung ist öffentlich, Zuhörer sind willkommen).

"Viel Geld" soll das Projekt kosten, würde es in Leichter Sprache heißen. Sie vermeidet Zahlen. In "schwerer Sprache" sind es 11.500 Euro für die Übersetzung von 100 Normseiten mit 1800 Anschlägen, 100 barrierefreie Grafiken inklusive. Auch eine Überprüfung der Texte durch Menschen mit Beeinträchtigungen ist im Preis inbegriffen, um die Barrierefreiheit der Inhalte zu garantieren.

Denn die Leichte Sprache ist für Verwaltungsmitarbeiter eine schwere Übung. "Das bedarf einer fachlich qualifizierten und professionellen Umsetzung", sagt der Sozialdezernent. "Es ist daher geplant, ein externes Fachbüro mit der Erstellung des Themenblocks zu beauftragen."

Die Leichte Sprache soll den städtischen Haushalt nicht zusätzlich belasten. "Die Stadtverwaltung Viersen beabsichtigt, einen Antrag bei der Sparkassenstiftung in Höhe des Angebotsbetrags zu stellen und diesen in die nächste Sitzung des Kuratoriums der Sparkassenstiftung einzubringen", erklärt Viersens Sozialdezernent.

Dieser Plan sorgt auch für die unübliche Vorgehensweise. Eigentlich wird über ein Thema zunächst im zuständigen Fachausschuss gesprochen; dort geben die Politiker eine Empfehlung ab, wie die Mitglieder des Stadtrates entscheiden sollen. Doch entschieden werden soll bereits heute Abend; der zuständige Sozialausschuss berät das Thema erst am 6. April. Sonst wäre der Zeitplan nicht mehr zu halten - das Kuratorium der Sparkasse tagt bereits Anfang Mai. Doch eine Ratssitzung zwischen dem zuständigen Sozialausschuss am 6. April und der Kuratoriumssitzung ist nicht geplant.

(mrö)
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