Viersen Anwohner klagen über Kostenexplosion

Viersen · An der Chemnitzer Straße in Dülken wurden Pflaster und Kanal erneuert. An den Kosten werden die Anwohner beteiligt. Sie müssen nun deutlich mehr zahlen als von der Stadtverwaltung zunächst geschätzt

Als das Schreiben von der Stadt Viersen kamen, waren die Anwohner an der Chemnitzer Straße in Dülken baff: Dass sie so viel für die Erneuerung ihrer Straße würden zahlen müssen, hätten sie nicht gedacht. Denn 2015 hatte die Stadtverwaltung ihnen bei einer Bürgerversammlung gesagt, auf welchen Beitrag sie sich wohl einstellen müssten. Die Verwaltung nahm an, dass pro Beitragsquadratmeter 6,30 Euro fällig würden. Sie sagte den Anwohnern auch, dass dies eine Schätzung sei, die tatsächliche Beitragshöhe abweichen könnte.

Als die Baumaßnahme nun gut ein Jahr später begann, flatterte den Anliegern die Zahlungsaufforderung der Stadt ins Haus. Die Nachbarn staunten: Statt 6,30 Euro sollten sie 9,23 Euro pro Beitragsquadratmeter bezahlen. Sie legten Widerspruch ein und erhielten von der Stadt die Antwort, der Widerspruch sei fristgerecht eingegangen, und sie müssten erstmal nichts zahlen. Doch das hatten die Anlieger schon getan, um nicht vielleicht noch Verzugszinsen zahlen zu müssen.

Die Chemnitzer Straße ist jetzt fertig. Statt löchriger Asphaltdecke gibt es nun ein ebenmäßiges Pflaster. Dass die Straße besser ist als zuvor, kann Anwohner Marc Runge nicht leugnen. "Das neue Bild ist schon gut", sagt er. Er wuchs dort auf, wohnt heute, 41 Jahre später, noch im Elternhaus. "Die Straße wurde notdürftig in Schuss gehalten", erklärt er. Die alte Straße habe viele Stolperfallen gehabt - gefährlich für die Bewohner des Altenheims in der Nähe, die über die Straße in die Stadt gingen.

Dass die Kosten so explodiert sind, können die Anwohner nicht verstehen. Ebenso wenig, dass die Stadt sie nicht informierte, dass es teurer werden würde - und zwar, bevor sie die Zahlungsaufforderung verschickte. Denn nicht jeder Grundstückseigentümer hat mal eben mehrere tausend Euro auf der hohen Kante, die er innerhalb eines Monats überweisen kann. Es habe sich damals "lediglich um eine große Schätzung" gehandelt, teilt Stadtsprecher Frank Schliffke mit. Und den Anwohnern sei auch gesagt worden, dass sich solche Zahlen noch deutlich verändern könnten. Wie hoch der Beitrag tatsächlich sei, ergebe sich erst mit der Erstellung der Bescheide. Und seien die Bescheide erst berechnet, habe es wenig Sinn, noch "Vorab-Informationen" an die Betroffenen zu schicken. Sie erhielten vielmehr direkt den fertigen Bescheid. Die Anwohner fragen sich, warum die Stadtverwaltung die Kosten nicht genauer schätzen konnte.

Maßgeblich für die Kostensteigerung seien die Kanalbaukosten gewesen, erklärte Bürgermeisterin Sabine Anemüller (SPD) nun in einem Antwortschreiben auf einen Brief der Nachbarn. Die NEW habe der Stadt die voraussichtlichen Kanalbaukosten per E-Mail mitgeteilt. Eine detaillierte Analyse der vorläufigen Kostenannahme der NEW sei der Stadtverwaltung nicht möglich. Anemüller schreibt, dass die Stadt im Jahr 2000 alle Aufgaben zu Bau und Unterhaltung der Kanäle an die NEW übertragen habe - und damit auch das Fachpersonal, "so dass sie über keine entsprechenden Ingenieure mehr verfügt, die sich mit diesem Fachgebiet befassen können". Dadurch habe man Synergieeffekte erzielt, "andererseits musste in Kauf genommen werden, dass das entsprechende Knowhow für die immer komplexer werdenden Vorgänge nicht mehr bei der Stadt zur Verfügung steht".

Die Widersprüche der Anlieger werden von der Stadt noch geprüft.

(RP)
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