Viersen Auf der Suche nach guten Künstlern

Viersen · Brigitte Baggen hat die Leitung des Kulturamts übernommen. Sie ist viel unterwegs und sammelt Ideen und Kontakte.

 Brigitte Baggen auf dem Balkon ihres Arbeitszimmers im Kulturamt an der Heimbachstraße. Im Hintergrund ist die Glasfassade der Kreismusikschule zu sehen, in der sich das Gebäude spiegelt.

Brigitte Baggen auf dem Balkon ihres Arbeitszimmers im Kulturamt an der Heimbachstraße. Im Hintergrund ist die Glasfassade der Kreismusikschule zu sehen, in der sich das Gebäude spiegelt.

Foto: Franz-Heinrich Busch

Wenn Gäste sich wohlfühlen, freut sich eine besonders: die Gastgeberin. So geht es auch Brigitte Baggen, der neuen Leiterin des Viersener Kulturamts. Die Festhalle ist die "gute Stube" der Stadt, und Künstler, die einmal dort aufgetreten sind, kommen gern wieder. Das liegt nicht nur an der herausragenden Akustik, die Orchester und Solisten aus aller Welt rühmen, sondern auch an der Betreuung. Nicht zuletzt loben Künstler, die sich nach einem Auftritt bedanken, auch das tolle Publikum in Viersen.

Dass Brigitte Baggen überhaupt zum Kulturamt der Stadt kam und nun die Leitung übernommen hat, mag man als Verkettung glücklicher Umstände bezeichnen. Baggen, die aus Düsseldorf stammt, studierte Deutsch und Geschichte für das Lehramt. Für das Referendariat am Gymnasium an der Löh zog sie nach Viersen. 1984 wurde die junge Lehrerin gebeten, einen Bericht zu schreiben über die Neugliederung Viersens vor 15 Jahren. So kam der Kontakt zum Kulturamt zustande. Leiterin des Amts war damals Dr. Adelheid Limbach, das Kulturamt befand sich an der Hauptstraße. Baggen war immer häufiger dort, "ich fand das so spannend", sagt sie rückblickend. Sie begann, sich um Theaterveranstaltungen für Kinder und Jugendliche zu kümmern, erhielt eine halbe Stelle beim Kulturamt und hängte den Lehrerberuf an den Nagel.

Der Bereich "Kultur Extra" kam rasch hinzu. "Ich wollte eine Reihe entwickeln, die man auch allein besuchen kann, und bei der ein bisschen alternatives Flair herrscht." In der neuen Spielzeit sind beispielsweise der Klarinettist Giora Feidman und Schauspieler Ben Becker mit einer Hommage an Paul Celan zu Gast, die Pianisten Andreas Kern und Paul Cibis liefern sich einen Piano-Battle, und die Konzerte mit Köbes Underground, der Hausband der Kölner Stunksitzung, sind in Viersen längst Kult. Die Abonnements für die "Extra"-Reihe sind begehrt - wer ein Abo haben möchte, landet erstmal auf der Warteliste.

Mehr und mehr Ideen kamen hinzu, auch die Arbeit wurde mehr. Baggen erhielt eine Vollzeitstelle. Die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen an der Schule habe sie nicht vermisst, sagt die Viersenerin, denn sie habe auch im Kulturamt immer mit Schulklassen zu tun gehabt. "Es gibt tolle, engagierte Lehrer, und man bringt etwas Schönes mit. Die Schüler sind interessiert."

Die Stadt Viersen ist finanziell nicht auf Rosen gebettet, und das Team im Kulturamt muss immer wieder überlegen, wie man es so hinbekommt, dass die Stadt ein hochwertiges Kulturprogramm anbieten kann. Das funktioniert zum Beispiel über Netzwerke. "Wir ziehen einen großen Nutzen aus der regionalen Vernetzung, zum Beispiel mit dem Kultursekretariat Gütersloh", sagt Baggen.

Gleichzeitig sei auch die innerstädtische Vernetzung wichtig - ob zu den "Kulturstrolchen" in den Grundschulen, zum Projekt "Kulturrucksack" für Jugendliche oder zur Städtischen Galerie im Park - "mir ist das wichtig, dass wir das als Team machen", sagt sie.

Die Kulturamtsleiterin ist viel unterwegs - immer auf der Suche nach guten Künstlern, die man vielleicht nach Viersen einladen könnte. Sie besucht Konzerte, Theater- oder Ballettabende, aber natürlich auch das Viersener Festival "Eier mit Speck". Kulturinteressierte treffen Baggen an vielen Orten. "Ich gucke auch selektiv Fernsehen", sagt die Viersenerin, "und wenn ich da in einer Talkshow einen Gast sehe, der mir gefällt, dann schreibe ich mir den Namen auf und fange an zu recherchieren." Oft kommen auch Anfragen von Künstlern oder Vorschläge von Künstleragenturen, "die wissen, dass wir in Viersen offen sind für die besonderen Dinge".

Zu den besonderen Dingen gehört im Festhallenprogramm zweifelsohne die Sparte "Puppentheater für Erwachsene". Wer erinnert sich nicht an den "Vampyr" von Puppenspieler Neville Tranter, an "Königs Weltreise", "Hamlet" oder den skurrilen Einakter "Wer andern in die Stube schlägt, malt selbst Verein" des Theaters Handgemenge? Oder an "Der Spieler", ein Stück, in dem Figuren, halb Mensch, halb Puppe, auftreten?

Puppen kommen auch in der neuen Spielzeit wieder nach Viersen: für das schwarzhumorige Stück "Das verräterische Herz" nach Edgar Allen Poe etwa und "Zauberflöte - eine Prüfung", ein "musikalisches Volkstheater" mit märchenhaften Puppen und Kulissen. Solche Veranstaltungen, die in der Umgebung sonst nirgendwo angeboten werden, locken auch Düsseldorfer in die ehrwürdige Festhalle.

Der Schwerpunkt der Kreismusikschule gleich nebenan ist das Schlagwerk, und so haben die jungen Leute, die an der Musikschule Schlagzeug lernen, durch das Kulturprogramm immer wieder auch die Chance, renommierte Musiker einmal auf der Bühne zu erleben. Auf den ersten "artist in residence" des Viersener Jazzfestivals, den bekannten deutschen Jazz-Schlagzeuger Wolfgang Haffner, freut sich Baggen daher schon sehr.

Wenn sie nicht in Theatern sitzt oder Konzerte besucht, arbeitet Baggen in ihrem Garten im Rahser. Doch viel Zeit bleibt dafür nicht - es gibt eben zu viele Aufführungen, die sie sehen möchte. Macht nichts, sagt Baggen, "das ist ein Beruf, in dem sich Hobby und Arbeit miteinander verbinden". Selten komme es vor, dass sie total gestresst sei. Aber auch dafür hat sie ein Rezept: "Dann fahre ich in die Stadt und gehe Schuhe kaufen."

(RP)
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